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30.09.2011 13:45
Ja zum Rettungsschirm: "Sie verpulvern das Steuergeld von Millionen Menschen!" sagt S. Wagenknecht
Berlin - Der Bundestag hat der Erhöhung des so genannten Euro Rettungsfont zugestimmt und Ermächtigungen an außerparlamentarische Gremien abgegeben, die eine weitere Aushöhlung demokratischer Einflussmöglichkeiten bedeuten. Es wird weiterhin nur an den Symptomen der Krise gebastelt. Die wirklichen Probleme werden verschleiert. Die für die Krise verantwortlichen Profiteure des Finanzsystems werden auf Kosten der kleinen Leute vor Verlusten gerettet. An einen nachhaltigen Umbau der Wirtschaftsarchitektur in Europa und der Welt ist leider nicht zu denken. Die Demokratien sind offensichtlich bereits zu schwach, um sich vom Würgegriff der Finanzwirtschaft zu befreien.  JWD

Nachfolgend eine Erklärung von Sahra Wagenknecht zur Erweiterung des Euro-Rettungsschirms vor dem Deutschen Bundestag. Frau Wagenknecht hat wahrscheinlich mehr wirtschaftspolitische Kompetenz, als alle sonstigen MdBs zusammen:

Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich muss schon sagen: Ich habe selten eine Parlamentsdebatte im Deutschen Bundestag erlebt, in der so viel und so schamlos geheuchelt und gelogen wurde wie in der heutigen Debatte.

Ich habe gegen die Erweiterung des so genannten Euro-Rettungsschirms gestimmt; denn durch diesen Euro-Rettungsschirm wird die europäische Währung nicht gerettet, und schon gar nicht werden die Lebensverhältnisse der Menschen in Europa abgesichert und gerettet. Das Einzige, was durch diesen Rettungsschirm wirklich gerettet wird, sind die Gewinne der Banken, der Hedgefonds und der Spekulanten, und das ist perfide.

Dass Sie das hier dann auch noch mit schönen Worten und schönen Ideen verklären, ist unglaublich, zumal Sie den Leuten noch nicht einmal reinen Wein darüber einschenken, wie hoch die Haftung wirklich ist, die hier eingegangen wird - gerade auch vor dem Hintergrund der aktuellen Pläne zur weiteren Hebelung.

Das ist kein Programm für weniger Schulden, sondern das ist ein Programm für mehr Schulden und mehr Verschuldung - und zwar einerseits in der Bundesrepublik Deutschland, wenn nämlich all diese Bürgschaften irgendwann tatsächlich bedient werden müssen - und andererseits ist es ein Programm für mehr Schulden und mehr Verschuldung in den betroffenen Ländern, denen damit angeblich geholfen werden soll.

In Wirklichkeit müssen diese Länder ihre Wirtschaft aber mit martialischen Sparprogrammen in die Knie zwingen. Es sollte Ihnen schon irgendwie zu denken geben, dass Griechenland eineinhalb Jahre nach Beginn der angeblichen Rettung 20 Milliarden Euro mehr Schulden als vorher hat.

Wer Schulden wirklich reduzieren will, der muss erstens auch Vermögen reduzieren, aber bitte schön nicht die Vermögen der einfachen Leute, die mit diesem ganzen Desaster nichts zu tun haben, sondern bitte schön die Vermögen derer, die profitiert haben von der steigenden Staatsverschuldung, profitiert haben von Steuerdumping, profitiert haben von der Bankenrettung, profitiert haben von der ganzen Spekulation. Es ist doch kein Zufall, dass die Vermögen der Millionäre und Multimillionäre in Europa in den letzten Jahren ähnlich explodiert sind wie die Schulden der Staaten. Das hängt doch zusammen. Das sind zwei Seiten einer Medaille.

Darüber reden Sie nicht, weil Sie darüber nicht reden wollen.

Wer Schulden wirklich reduzieren will, der muss zweitens dieses aberwitzige System beenden, das dafür sorgt, dass die Finanzierungsspielräume der Staaten am Ende davon abhängen, ob Banker oder Ratingagenturen den Daumen heben oder senken. Das ist ein völlig absurdes System. Wer nichts dafür tut, die Staaten aus der Geiselhaft dieser Finanzhaie zu befreien, der hat die Demokratie abgeschrieben.

Sie haben die Demokratie abgeschrieben, und Sie haben auch abgeschrieben, einen wirklichen Ausweg aus dieser Krise zu finden, und zwar nicht, weil es keine Auswege gibt, sondern weil Sie alle - die Regierung und auch die angebliche Opposition aus SPD und Grünen, die heute wieder einmal belegt hat, dass sie mit der Regierung in solchen Fragen absolut einer Meinung ist - schlicht und ergreifend zu feige und zu devot sind, eine Politik zu machen, die sich mit den Bankern anlegt und die gegen die Banker gerichtet ist. Das tun Sie alle nicht.

Der Weg, den Sie gehen, ist unverantwortlich, denn es ist das hart erarbeitete Steuergeld von Millionen Menschen, das hier verpulvert wird, um die Ackermänner zufrieden zu stellen. Der Weg, den Sie gehen, ist ökonomischer Aberwitz, denn er wird am Ende sehr wahrscheinlich die Währungsunion sprengen. Und der Weg, den Sie gehen, ist antieuropäisch, denn er trägt dazu bei, das Vertrauen der Menschen in das europäische Projekt restlos zu untergraben. Das ist das eigentliche Problem.

Deswegen meine ich: Jeder, dem die europäische Idee oder die ökonomische Vernunft irgendwie am Herzen liegt, musste bei dieser Abstimmung gegen die Erweiterung des so genannten Rettungsschirms stimmen.
[Rede nach der Abstimmung am 29.09.2011 über eine Erweiterung des Euro-Rettungsschirms.]


Zum Video der Bundestagsrede auf der Homepage von S. Wagenknecht  ..hier


PS: Die wirklich dummen, destruktiven und polemischen Zwischenrufe des Mobs, vornehmlich von CDU/CSU- Kandidaten habe ich wegelassen. So ist es meistens, nach oben (zu den Ackermännern, den vermeintlich Mächtigen) buckeln, nach unten (zu den Machlosen) treten.



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