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21.10.2011 11:15
Griechenland: IMK-Report -
Konsolidierung ohne Schuldenschnitt möglich!

Hans-Böckler-Stiftung - Das Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) der legt in einer 19seitigen Expertise offen, unter welchen Vorraussetzungen Griechenland ohne einen höchst gefährlichen Schuldenschnitt konsolidiert werden kann. Voraussetzung ist allerdings, dass die unvermeidlichen Konsolidierungsmaßnahmen in verbesserter Form und mit gestrecktem Zeithorizont durchgeführt werden. Dazu gehört, dass Griechenland durch eine expansive europäische Wirtschaftspolitik hinreichende Wachstumsimpulse erhält. JWD 


(Auszug) [...] Nachfolgend werden die Vorstellungen der EU-Kommission dargelegt, und es wird gezeigt, dass die Troika zwar nicht von einer plausiblen Variablenkonstellation ausgeht, es aber dennoch plausible Konstellationen gibt, die die Nachhaltigkeit der griechischen Staatsfinanzen gewährleisten. [..] Diese Analysen beruhen auf bestimmten Annahmen zum zukünftigen Wachstum und der Zinsentwicklung. Soll der bestehende Schuldenstand zumindest stabilisiert werden, ergibt sich aus dem dazu nötigen Primärsaldo die entsprechende Handlungsempfehlung zur Konsolidierung.

Dabei hat die EU-Kommission allerdings einige Annahmen gemacht, die nicht plausibel erscheinen. Mit Hilfe von Simulationen wird gezeigt, wie stark sich die Entwicklung der Schuldenstandsquote verändert,.. [..] Hinterhersparen verschlimmert Lage.

[..] Wachstumsschonende Konsolidierung möglich
Ein erfolgreiches Konsolidierungsprogramm, das auch politisch tragfähig ist, muss so konzipiert sein, dass es das Wachstum möglichst wenig belastet.

[..] Das Wachstum Griechenlands und damit die Solvenz seines Staates ließen sich aber durch eine koordinierte Politik innerhalb des Euroraums weiter verbessern. Andere Länder des Euroraums müssten fiskalisch stimulieren, um ihre Binnennachfrage und ihre Importe zu stärken, wovon dann auch Griechenland über steigende Exporte profitierte (vgl. für eine ähnliche Analyse Dullien/Schwarzer 2010).

Ebenfalls positiv für den griechischen Export wäre es, wenn die Lohnstückkosten sich langsamer als der Durchschnitt im Euroraum entwickelten, so dass die preisliche Wettbewerbsfähigkeit zusätzlich die Exporte steigen ließe. Da in Griechenland die Löhne als neben der Produktivität entscheidende Komponenten der Lohnstückkosten bereits deutlich gesunken sind, müssten die Länder des Euroraums, die in den letzten Jahren nur geringe Lohnsteigerungen verzeichneten – hier vor allem Deutschland –, nun höhere Lohnsteigerungen zulassen und so moderate Abstriche bei ihrer preislichen Wettbewerbsfähigkeit hinnehmen, um Griechenland eine Verbesserung der Wettbewerbsposition zu ermöglichen.

Darüber hinaus könnte ein Investitionsprogrammen aufgelegt werden. Um die griechische Verschuldung nicht weiter zu erhöhen, müssten diese seitens der Europäischen Union, etwa im Rahmen der Strukturfonds, finanziert werden. Das dadurch [..] höhere Wachstum von nominal 5 % würde zu einem Sinken der Schuldenstandsquote trotz höherem Multiplikator auf etwa 78 % im Jahr 2030 führen[..]. Dies ist allerdings kein leichtes Unterfangen, implizierte es doch eine deutliche wirtschaftspolitische Umorientierung im gesamten Euroraum.

[..] Die beiden zuletzt skizzierten Szenarien würden viel politischen Druck von der griechischen Regierung nehmen und so die Konsolidierung stützen.

[..] Wenn darüber hinaus stützend positive Wachstumsimpulse von den anderen Euroraumländern ausgehen, ließe sich ein höheres Wachstum realisieren und die Schuldenstandsquote könnte auf etwa 78 % des BIP 2030 sinken.

Fazit
Seit dem Frühjahr 2010 kann sich der griechische Staat nicht mehr zu tragbaren Konditionen an den Finanzmärkten finanzieren. Im Rahmen zweier Rettungspakete sind ihm bisher – an harte Konsolidierungsauflagen gebunden – Kredittranchen über 65 Mrd. Euro bereitgestellt worden. Griechenland hat 2010 diverse Programme zur Erhöhung der Staatseinnahmen und zur Reduzierung der staatlichen Ausgaben in Höhe von 18 Mrd. Euro aufgelegt und will bis 2014 insgesamt 52,1 Mrd. Euro konsolidieren. Dennoch reißt Griechenland ein Defizitziel nach dem anderen, das die Troika der Regierung vorgegeben hat.

Das liegt auch am schrumpfenden BIP, sodass die in Relation zum Bruttoinlandsprodukt gemessenen Defizit- und Schuldenstandsquoten steigen, obwohl hart konsolidiert wird.

Dennoch ist eine erfolgreiche Konsolidierung möglich, wie die durchgeführten Simulationen zeigen. Denn es gibt eine realistische Variablenkonstellation, bei der die Defizite zurückgehen und die Schuldenstandsquote sinkt. Hierzu ist es erstens nötig, die Konsolidierung so auszurichten, dass sie das Wirtschaftswachstum nicht weiter schmälert; im Gegenteil, Investitionsprogramme müssen es anheben. Zweitens muss das Zinsniveau weiterhin niedrig gehalten werden. Dies erfolgt im Moment über günstige Kredite seitens der EFSF bzw. des ESM. Langfristig kann nur eine erfolgreiche Lösung der Krise im Euroraum das Zinsniveau für die Euroländer wieder auf ein nachhaltiges Niveau zurückführen. Gelingt dies, können die Primärüberschüsse des griechischen Staates deutlich niedriger liegen als noch im Anpassungsprogramm der Troika unterstellt, was die politische Durchsetzbarkeit des Programms in Griechenland erhöhen dürfte.  [Auszug Ende]  [Quelle: IMK-Report]

Zum IMK-Report der Hans-Böckler-Stiftung (PDF-Datei) ..hier


Anmerkung:
Berücksichtigt man den Umstand, dass bislang keine praktikablen, in den Auswirkungen überschaubare Konzepte bekannt sind und jede Lösung teuer werden wird und mit jedem Tag teurer wird, erscheint mir dieser Lösungsansatz der Strohhalm zu sein, den man packen sollte.

Eigentlich nicht nachvollziehbar wieso Überlegungen, wie sie jetzt von den Autoren dieser Studie eingebracht wurden, nicht von Anfang an die maßgeblichen Hilfskriterien für Griechenland waren. Bei aller Würdigung und Wertschätzung der Expertise erscheint mir die Problematik überschaubar. Warum wurde gleichwohl von den Experten der Europäischen Zentralbank und anderer Entscheidungsträger den Griechen ein Spardiktat abverlangt, von dem jedem klar sein musste und wohl auf war, dass das Land dadurch in den vollständigen Ruin getrieben wird.

Selbst als zur Auszahlung der 2. Rate die Spatzen von den Dächern pfiffen: "Die Wirtschaft implodiert, Griechenland wird kaputt gespart", hat CDU-Schäuble in die Welt posaunt, die Sparauflagen müssen strikt eingehalten werden, sonst gibt's nichts mehr! Die Spekulanten hat's gefreut, die Spekulation gegen Griechenland boomte mit jedem mal mehr.

Drängt sich da nicht der Verdacht auf, es ginge den Helfern gar nicht in erster Line um schnelle Hilfe für Griechenland. FDP-Brüderle bei n-TV vor wenigen Tagen: "Wir haben dort eine sozialistische Regierung". Geht es vielleicht auch darum ein Exempel zu statuieren und letzte Reste sozialorientierten Gedankengutes auszumerzen und die Sozis ein für allemal auszuschalten? Auch die Zeitschindetaktik der Kanzlerin nebst ihren Beratern (Ackermann & Co) würde plötzlich Sinn machen. Die Deutsche Bank hatte ja schon vorher auf den Niedergang gezockt nachdem sie Griechenland faule Papiere verkauft hatte.

Wenn Lindner (FDP) krampfhaft immer wieder betont es handele sich ursächlich um eine Staatsschuldenkrise, selbst wenn es stimmen würde, will er doch nur suggerieren, die Sozialleistungen wären zu hoch. Staatsschulden entstehen aber auch, wenn die Steuern zu niedrig sind. Aber dieser Zusammenhang kommt in der FDP- Welt nicht vor. Die erzählen uns: Die Staatverschuldung ist zu hoch, jetzt müssen wir die Steuern senken!

Genau einer solchen absurden Logik wird Griechenland unterjocht, um nach dem Zusammenbruch später gleich eines Protektorats von der Finanzmaffia und einigen Multis  ausgeschlachtet (~privatisiert) zu werden. Die Finanzelite Griechenlands, die längst ihre Vermögen ohne Steuern zu zahlen in Sicherheit gebracht hat, wird rechtzeitig wieder auf der Matte stehen, um ihre Taschen noch ein bisschen voller zu stopfen. Die (einzige) Wahrheit liegt im Profit, da kann man nichts machen, oder doch?  Wäre dies wirklich so albern, Herr Gauck?  JWD

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