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04.04.2012 02:30
Was ist an Merkels Politik zur Bewältigung der Euro-Krise so falsch?
NachDenkSeiten - Wolfgang Lieb versucht eine einfache Antwort auf Leserfragen zu Angela Merkels europäischer Wirtschaftspolitik zu finden und entlarvt diese letztlich als die Wurzel des Übels. [Quelle: nds.de].  JWD


[Auszug]: [..] In Deutschland verweigert sich nicht nur die Politik, [..] sondern auch die überwiegende Mehrheit der deutschen Ökonomen und dazu noch der veröffentlichte Meinungsmainstream einer banalen Logik: Die Exportüberschüsse des Einen sind immer die Leistungsbilanzdefizite und damit die Schulden der Anderen. Wir Deutschen rühmen uns als Exportvizeweltmeister und wollen nicht sehen, dass wir im Gleichschritt dazu auch Gläubigervizeweltmeister sind. Wir üben Lohnzurückhaltung und unsere Lohnstückkosten bleiben im Vergleich zu unseren europäischen Nachbarn zurück, damit wir wettbewerbsfähiger werden und mehr exportieren können und die anderen Länder unsere nicht nur guten, sondern auch im Vergleich zu anderen relativ preiswerten Produkte kaufen können.

Aber anders als gebetsmühlenhaft behauptet wird, hat Deutschland seine Wettbewerbsfähigkeit gegenüber den Partnern in der Währungsunion nicht etwa vor allem durch hohe Produktivität oder nur durch besonders gute Produkte erhöht, sondern durch eine politisch gewollte und durch Hartz IV verschärfte langandauernde Lohndrückerei. (Die Reallöhne stagnieren seit 20 Jahren weitgehend. Fast jede/r Vierte arbeitet für Niedriglohn (PDF)  ..hier). Bei nominalen Tarifsteigerungen unterhalb der Inflationsraten und des Produktivitätszuwachses blieben auch die Inflationsraten in Deutschland im Vergleich zu den meisten anderen europäischen Nachbarn zurück. Woher sollte denn die Binnennachfrage kommen? Diesem Zangenangriff aus Deutschland mit relativ niedrigeren Lohnstückkosten und vergleichsweise geringeren Inflationsraten konnten sich in einem einheitlichen Währungsraum andere Länder nicht mehr durch Abwertung ihrer Währung oder gar durch Importzölle erwehren. Sie verloren vor allem aus diesen beiden Gründen (Lohndumping und relativ niedrige Inflation) an Wettbewerbsfähigkeit gegenüber Deutschland.

Wer wie Deutschland seine Überschüsse und damit ein Leben „unter seinen Verhältnissen“ („Wirtschaftsweiser“ Peter Bofinger ..hier) mit aller Macht weiter verteidigt, der spielt mit den anderen europäischen Ländern Hase und Igel. [..] Ein einzelner deutscher Betrieb kann sicherlich Exportgewinne erzielen, gesamtwirtschaftlich betrachtet, kann die deutsche Rechnung aber niemals aufgehen.

Und nun verordnen wir unser deutsches „Erfolgsmodell“ der Lohnzurückhaltung und damit der Senkung der Lohnstückkosten, des Sozialabbaus und der Privatisierung dem gesamten Europa. [..]

[..] Mit der von Angela Merkel erzwungenen Agendapolitik auf europäischer Ebene müssen auch alle anderen Sozialabbau, Lohnsenkungen, einen sich ausweitenden Niedriglohnsektor, zunehmende Arbeitslosigkeit und soziale Spaltung hinnehmen. Die Frage ist allerdings dann, wer kann in Europa unsere Produkte noch kaufen und konsumieren und wo bleiben dann unsere wunderbaren Exporterfolge? Sollen etwa die Schwellenländer (die BRICS-Staaten) die Exporteinbußen auf dem europäischen Markt – wo derzeit über 60 Prozent unserer Exporte hingehen – ausgleichen? Und müssten wir nicht – um auf dem Weltmarkt zu bestehen – unseren Agendakurs nur noch strammer fahren, wenn alle anderen europäischen Länder bei der Wettbewerbsfähigkeit aufholten? [..].

Die Volkswirtschaften, denen jetzt in einer drastischen Rosskur das deutsche (neoliberale) Wirtschaftsmodell aufgenötigt wird – das kann man in Griechenland, Portugal, Spanien oder Italien deutlich sehen –, geraten in eine nur schwer bekämpfbare wirtschaftliche Rezession, die Sozialausgaben steigen und die Steuereinnahmen sinken und an die Rückzahlung der Schulden ist gar nicht zu denken. Es ist eine Teufelsspirale nach unten.

[..] Die von den „Märkten“ erzwungene Einsetzung der Regierungen von „Technokraten“ in Griechenland oder Italien belegt, wie weit Angela Merkels „marktkonforme“ Demokratie schon um sich gegriffen hat. „Demokratiekonforme Märkte“ und einigermaßen ausgeglichene Leistungsbilanzen müssten aber das Ziel sein, um ein demokratisches und soziales Europa zu retten. [Ende Auszug]

Link zum vollständigen Artikel bei 'nds.de'  ..hier


Anmerkung: Gerade weil es so offensichtlich ist, welche staatsschwächende, endsolidarisierende, demokratiezerstörende Tendenz zu Gunsten weniger von Merkels Politik ausgeht, drängt sich die Frage auf, ob nicht genau dieses von der Machtelite so gewollt ist. So gesehen ist Merkels Politik gegen die Mehrheit der Bevölkerung aus Sicht der Politikmacher, der Mächtigen, alles andere als falsch, sondern geradezu das Ziel neoliberaler Wirtschaftspolitik. Merkel steht halt nur auf der anderen Seite und verschaukelt uns.

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