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30.05.2012 10:10
Gegen den Fiskalpakt ist Hartz IV eine Lappalie
Der Wirtschaftsforscher Stephan Schulmeister aus Wien warnt die SPD vor größtem Fehler der Nachkriegsgeschichte: Wenn die SPD dem Fiskalpakt zustimmt, schafft sie die Voraussetzung für die Vollendung des neoliberalen Projekts in Europa. Damit würde sie den größten Fehler der Nachkriegszeit begehen, Hartz IV ist dagegen eine Lappalie. [Quelle: Frankfurter Rundschau]  JWD


Wenn Steinbrück und Steinmeier für die Zustimmung der SPD zum Fiskalpakt kämpfen, schaffen sie die Voraussetzung für die Vollendung des neoliberalen Projekts in Europa. Denn alle Komponenten des Fiskalpakts wurden vor etwa 45 Jahren von Milton Friedman und seiner Schule von Chicago ausgedacht mit dem Ziel, die Sozialstaatlichkeit zu erledigen. Dies schreibt Stephan Schulmeister sinngemäß in seinem Kommentar bei der FR und legt eindringlich dar, dass dies eine falsche Wirtschaftpolitik mit verheerenden Folgen ist.

[Zitat]: Fiskalpakt verstärkt die Krise
Eine nachhaltige Konsolidierung der Staatsfinanzen muss die Interaktion aller Sektoren berücksichtigen. Ihre Finanzierungssalden verhalten sich wie kommunizierende Gefäße: Der öffentliche Sektor kann sein Defizit nur dann ohne Schaden für die Gesamtwirtschaft senken, wenn die Politik Sorge trägt, dass der Unternehmenssektor sein Defizit ausweitet und/oder die Haushalte ihre Überschüsse senken. Werden diese systemischen Restriktionen ignoriert, so vertieft eine Sparpolitik die Krise immer weiter.

Genau dies wird der Fiskalpakt bewirken.[..]

[..] Denn zunächst muss der „Potentialoutput“ bestimmt werden, also was eine Volkswirtschaft bei Vollauslastung von Arbeitskräften und Maschinen produzieren könnte.

Für die Schätzung des Potentialoutputs verwenden Ökonomen ein Konzept, das Milton Friedman vor 45 Jahren für den Generalangriff auf die Vollbeschäftigungspolitik entwickelte, die natürliche Arbeitslosenquote. Versucht die Politik, die Arbeitslosigkeit unter dieses Niveau zu drücken, würde die Inflation steigen. [Ende Zitat]

Schulmeister begründet, dass die neoliberalen Wirtschaftsdoktrinen schlichtweg falsch sind und bei Anwendung die Krise verschärfen.

[Zitat]: Der Fiskalpakt macht eine wirksame Bekämpfung künftiger Krisen unmöglich. [..]

Langfristig wird der Fiskalpakt Wirtschaft und Sozialstaat strangulieren: In jeder Krise steigt das Budgetdefizit. Mit dem Rückgang des (tatsächlichen) BIP wird auch der Potentialoutput niedriger eingeschätzt. Damit wird ein Teil des gestiegenen Defizits zu einem strukturellen umdefiniert, das Strukturmaßnahmen erfordert, insbesondere die Kürzung von Sozialleistungen. [..]

Im Fiskalpakt sind diese Komponenten „made in Chicago“ vereint. Wenn die deutsche Sozialdemokratie dem zustimmt, begeht sie den größten Fehler der Nachkriegszeit, Hartz IV ist dagegen eine Lappalie. [..] [Ende Zitat]

Wie Schulmeister an anderer Stelle schreibt, geht er davon aus, dass Steinbrück und Steinmeier von diesen Zusammenhängen nichts wissen. Da auch die neoliberal dominierte Öffentlichkeit lethargisch dahin dümpelt, ist die Chance, dass der Fiskalpakt noch gestoppt werden kann recht gering. Aber, bekanntlich stirbt die Hoffnung ja zuletzt.

Link zum Kommentar von Stephan Schulmeister bei der Frankfurter Rundschau ..hier


Passend zum Thema [Wolfgang Lieb, NachDenkSeiten]:
Selbstmord als die dauerhafte Lösung hausgemachter Probleme
Wenn man Politik in ein Bild fassen will, wird die Wirklichkeit immer überzeichnet, doch wenn ich diesen Versuch machen müsste, so fiele mir für den politischen Kurs von Angela Merkel und der Bundesregierung gegenüber den europäischen Nachbarländern folgendes Bild ein:

Angela Merkel ist aus der Beletage im obersten Stockwerk eines lichterloh brennenden europäischen Hauses gesprungen und ruft im freien Fall allen Bewohnern der unteren Stockwerke zu: Springt mir nach, sonst verbrennt ihr elendlich, wie ihr seht geht es mir bis jetzt im Vergleich zu euch gut. Statt den Brand zu bekämpfen und die Brandstifter in Haftung zu nehmen, wählt unsere Kanzlerin den Sprung in den Abgrund, gerade so, als ob ein Selbstmord eine dauerhafte Lösung der hausgemachten Probleme wäre.

Link zum Artikel von Wolfgang Lieb bei ' nds.de ' ..hier

 
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