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05.07.2012 13:15
Wissenschaftler vom CERN in Genf haben möglicherweise das lange gesuchte Higgs-Boson- Teilchen nachgewiesen!
Die Meldungen überschlagen sich, offensichtlich ist ein bislang unbekannter Partikel entdeckt worden, der möglicherweise die Eigenschaften des von Higgs vorhergesagten, Teilchens hat. Wenn ja, dann würde eine Erklärungslücke bezüglich der gängigen Modellvorstellung zur Entstehung von Materie geschlossen werden. Ob es auch tatsächlich das Higgs-Teilchen ist, so wie es in den 1960er Jahren vorhergesagt wurde, eine Variation davon oder etwas ganz anderes, ist noch unklar. Aber was auch immer entdeckt wurde, eines ist klar: Die Medienberichte werden wieder das grauenhafte Wort "Gottesteilchen" enthalten, wird von 'scienceblogs.de' prognostiziert.  JWD


Zumindest diese Vorhersage ist zutreffend, wie die folgende Auflistung einiger Überschriften belegt: [Quelle: scienceblogs.de]
  • Süddeutsche.de: "Erfolgreiche Suche nach dem Gottesteilchen?"
  • Kleine Zeitung: "Mit Spannung schaut die Wissenschaftswelt auf das europäische Kernforschungszentrum CERN in Genf. Forscher wollen sich dort am Mittwoch zum Elementarteilchen Higgs-Boson äußern - und möglicherweise die Existenz des sogenannten "Gottesteilchen" bestätigen."
  • Spiegel Online: "Heiße Spur zum Gottesteilchen"
  • FAZ: "Gottes-Teilchen Higgs-Boson entdeckt?‎"
  • Stern.de: "Gerüchte um das Higgs-Boson: Neues vom Gottesteilchen‎"
  • Bild: "Higgs-Boson: "Gibt es das mysteriöse Gottesteilchen?"
  • Frankfurter Rundschau: "Higgs-Boson - Zeigt sich das Teilchen Gottes?"
  • Tagesspiegel: "Gottes Teilchen gefunden? Erkenntnisse der Forscher mit Spannung erwartet"
  • Hannoversche Allgemeine: "Wissenschaftler sind Gottesteilchen auf der Spur"
  • Kurier: "Gottesteilchen: Higgs-Boson scheint entdeckt"
  • Handelsblatt: "US-Wissenschaftler: „Gottesteilchen" Higgs nahezu entschlüsselt"
  • ZDF: "Ist das Gottesteilchen gefunden?"
  • Focus: "Video soll Gottesteilchen zeigen"
  • RP Online: "Womöglich "Gottesteilchen" nachgewiesen"
  • derStandard.at: "Der richtige Namensgeber des "Gottesteilchens"‎"
     

Mit Gottesteilchen hat Higgs-Boson freilich gar nichts zu tun. Es handelt sich um reine Sensationsmacherei des Mainstreams, bei der bewusste Irreführung der Leser in Kauf genommen wird. Kein Wissenschaftler würde einen solchen Schwachsinn äußern.


 05.07.2012

Meine Tageszeitung "Die Rheinpfalz" ist ein besonders negatives Beispiel, wie Wissenschaft verfälscht und missbraucht wird. Fast nach jeder Verwendung des Begriffs 'Higgs-Boson' wird der Zusatz 'auch Gottesteilchen genannt' angefügt.

Dem unbedarften Leser wird der Eindruck vermittelt, auch die Wissenschaftler würden mit diesem Begriff operieren und hätten vielleicht sogar die Existenz Gottes nachgewiesen. Mancher einfältige Laie wird es so sehen und mancher listige Kleriker wird sich die Chance nicht entgehen lassen mit diesem Nonsens seine Schäfchen zu beeindrucken. Im letzten Absatz des Beitrags setzt der Autor Rainer Kayser dann noch eins drauf und schreibt: ..es muss also eine Physik ' jenseits* ' des Standardmodells geben.. Rainer! mir graut vor dir!

*) Anmerkung: Also nicht im Diesseits, sondern im Jenseits ist diese andere Physik zu suchen, vielleicht genau in der Mitte zwischen Himmel und Hölle?

Higgs-Boson ist ein Elementarteilchen. Teilchenphysik hat nichts mit Gott zu tun. Kein Wissenschaftler nennt das Objekt "Gottesteilchen". Der Begriff stammt vom Titel eines Buch des Nobelpreisträgers Leon Lederman, der über Teilchenphysik und das Higgs-Boson schrieb. Der unwissenschaftliche Titel des Buches "The God Particle" wurde vom Verleger ausgewählt. Lederman hätte es lieber "The Goddamned Particle" genannt. Das wäre zwar auch nicht gerade wissenschaftlich gewesen, aber immerhin ein wenig näher an der Sache und weniger irreführend als das reißerische, bezuglose und missverständliche Wort Gottesteilchen.

Florian Freistetter, promovierte am Institut für Astronomie der Universität Wien. Danach arbeitete er an der Sternwarte der Universität Jena und dem Astronomischen Rechen-Institut in Heidelberg als Astronom. Manchmal veröffentlicht er auch wissenschaftliche Bücher. Freistetter beendet seinen Artikel bei ' scienceblogs.de ' mit einer Art Aufruf an die Medienschaffenden:

[Zitat]: Liebe Medien. Es ist schade, dass ihr alle so vorhersagbar auf den Begriff "Gottesteilchen" anspringt. Dabei wäre es gar nicht nötig, ihn zu verwenden, um die Menschen dazu zu bringen, eure Artikel zu lesen (Und selbst wenn der Begriff in den Meldungen der Nachrichtenagenturen auftaucht: Man muss ihn nicht verwenden). Die Teilchenphysik ist tatsächlich ziemlich spannend. Vor allem die Geschichte um das Higgs-Boson. Und wenn ihr euch ein wenig anstrengt, dann seid ihr sicher auch in der Lage, einen entsprechend spannenden Artikel zu schreiben, ohne auf den Sensationalismus des "Gottesteilchens" zurück greifen zu müssen... [Zitat Ende]


Nachtrag: Nachdem ich gerade Focus-Online gelesen habe, muss ich den oben kritisierten Autor Rainer Kayser in sofern teilweise rehabilitieren, als der Focusartikel von Cristina Steinlein die Mystifizierung ins fast unerträgliche steigert. Die wissenschaftlichen Aussagen sind durch die ständig falsche Einfügung des Begriffs Gottesteilchen entwertet und so verbogen formuliert, dass man glauben könnte, es ginge wirklich um Gottesteilchen. Frei erfunden fügt die eifrige Redakteurin noch die falsche Aussage hinzu, die Partikel würden deshalb Gottesteilchen genannt, weil man mit deren Hilfe die Existenz des Menschen erklären könnte. Noch verschrobener geht es kaum.

Link zu Focus-Online  ..hier

 
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