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11.10.2012 14:15
Von der fortschreitenden Verbohrtheit der Europäischen und insbesondere der Deutschen Regierungspolitik
In den NachDenkSeiten vom 10.10.2012 ist ein sehr informativer Artikel von Axel Trost veröffentlicht. Der Linke Wirtschaftspolitiker stellt dar, warum sich die EZB inzwischen pragmatischer und lösungsorientierter verhält, als die unter der Dominanz der deutschen Bundesregierung handelnde europäische Regierungsebene. Ähnlich viel Sachverstand sucht man bei den Repräsentanten der sonstigen Parteien in unserem Land leider vergeblich.  JWD

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Auszug]: Zu beobachten ist eine Ent-Dogmatisierung der EZB bei gleichzeitig fortschreitender Verbohrtheit der europäischen und insbesondere deutschen Regierungspolitik. Da das Thema Geld von vielen (nicht nur) in der Linken stark mystifiziert und die Rolle der EZB dämonisiert wird, werden im Folgenden ein paar grundlegende Hintergründe zur Funktionsweise und den Folgen von Geldpolitik dargestellt.

Mysterium Geld und Geldpolitik
Den meisten Menschen fällt zur EZB das Bild vom „Anwerfen der Druckerpresse“ ein, mit der die Zentralbank zusätzliche Geldscheine druckt und diese in Umlauf bringt. Dieses Bild hinkt in vielerlei Hinsicht.

Gedrucktes Geld ist nur ein Teil des Zentralbankgeldes
Das physisch vorhandene, als Banknoten gedruckte oder als Münzen geprägte Geld ist nur ein Teil des Geldes, dass die Zentralbank schafft. Der größte Teil des Geldes, dass die Zentralbank zusätzlich „druckt“, wird als Kreditvergabe an die Banken („Geschäftsbanken“ im Gegensatz zur „Zentralbank“) geschaffen: Die Zentralbank bietet den Banken jede Woche aufs neue Kredite zum Leitzins von derzeit 0,75 Prozent an (sog. „Tender“), gleichzeitig laufen jede Woche frühere Kredite ab und müssen an die Zentralbank zurückgezahlt werden. Alle Geschäftsbanken führen ein Konto bei der Zentralbank.

Wenn eine Bank das Kreditangebot der Zentralbank annimmt, schreibt die Zentralbank einfach ein zusätzliches Guthaben auf dem Girokonto der Bank gut. Es wird also nicht physisch Bargeld geschaffen, sondern per Computer einfach ein Kontostand verändert. Durch das regelmäßige Auslaufen der Zentralbank-Kredite bleibt die Zentralbank- Geldmenge unter der Kontrolle der Zentralbank. Das in den Medien oft skizzierte Bild von der EZB, die „wieder Milliarden von Euro in den Markt pumpt“, unterschlägt daher regelmäßig, dass dieselben Milliarden Euro von allein nach Ablauf des Tenders wieder verschwinden.

Zentralbankgeld ist nur ein kleiner Teil der umlaufenden Geldmenge
Es gibt sehr unterschiedliche Definitionen, wie man die Menge des umlaufenden Gelds in einer Ökonomie überhaupt bestimmt. Das Bargeld, also die Menge von Geldscheinen und Münzen, spielt dabei nur eine untergeordnete Rolle. Eine der wichtigsten Definitionen ist die Geldmenge „M3“. [..]

Gelddrucken bedeutet nicht automatisch Inflation
Auch wenn es für den Alltagsverstand nur schwer nachvollziehbar ist: eine drastische Ausweitung der Zentralbankgeldmenge bleibt aus Sicht der Inflation solange ein Sturm im Wasserglas, wie die Banken nicht mit einer gesteigerten Kreditvergabe an Kunden außerhalb des Bankensektors beginnen. Beim derzeitigen Rezessions-Ausblick in der Euro-Zone sind die Banken genau dabei sehr zurückhaltend, weil sie Kreditausfälle fürchten und viele Unternehmen in der Krise kaum investieren wollen. Da kann der Zentralbankzins noch so niedrig und die Zentralbankgeldmenge noch so groß sein: Ohne einen positiven Konjunkturausblick und aussichtsreiche Investitionsperspektiven wird die Kreditvergabe an die Realwirtschaft kaum anspringen und daher sind Inflationsängste derzeit unbegründet.[..]

..Inflationsängste haben aber in mindestens einer Hinsicht eine ironische Inflations-Wirkung: Aus Angst vor Entwertung von Finanzanlagen schichten viele Vermögensbesitzer derzeit ihre Ersparnisse in vermeintlich sichere Anlagen um, insbesondere in Gold und „Betongold“, d.h. Immobilien. Da die Immobilienpreise in vielen deutschen Städten im Vergleich zum europäischen Ausland bislang relativ niedrig waren, fließt viel Geld aus dem In- und Ausland in deutsche Wohn- und Gewerbeimmobilien. In attraktiven Innenstadtlagen wie in Berlin hat dies bereits zu erheblichen Preissteigerungen für Wohnungen und Häuser geführt, was häufig über höhere Mieten auch unmittelbar auf die Lebenshaltungskosten durchschlägt.

Das Anleiheprogramm der EZB ist kein „Gelddruckprogramm“

[..] Die EZB hat in ihrer Entscheidung zu den EZB-Anleihekäufen wörtlich angekündigt: „Die Liquidität, die im Rahmen des Anleihe-Ankaufprogramms geschaffen wird, wird vollständig sterilisiert.“ Dieses Notenbanker-Kauderwelsch („sterilisieren“) bedeutet auf Deutsch: Wo die EZB zum Ankauf von Anleihen zusätzliches Geld schafft, nimmt sie dieselbe Menge Geld an anderer Stelle wieder aus dem Markt. [..]

Im Ergebnis ändern die Anleihe-Käufe an der umlaufenden Geldmenge gar nichts. Ein unkontrolliertes Vollpumpen von Banken mit frischem Geld lässt sich in dem Ankauf-Programm nicht erkennen. Viele Banken werden im Ergebnis wahrscheinlich italienische oder spanische Staatsanleihen an die EZB verkaufen und dafür deutsche Staatsanleihen kaufen oder bei der EZB ein Festgeldkonto eröffnen.

Um Missverständnisse zu vermeiden: Das Anleihe-Ankaufprogramm der EZB ist zu begrüßen, weil es ein aktiver Eingriff in einen falsch bzw. unregulierten Finanzmarkt ist und sich im öffentlichen Interesse für bezahlbare Zinsen für Euro-Krisenländer (siehe nächsten Absatz) und gegen die privaten Kapitalanleger und Spekulanten richtet – völlig unabhängig davon, ob die EZB dieses Ziel um den Preis einer Geldmengenausweitung verfolgt oder nicht. [..]

Natürlich wäre es uns als LINKE noch viel lieber, die EZB würde den Euro-Staaten direkt Kredit gewähren und so die privaten Kapitalmärkte komplett ins Leere laufen lassen. Aber auch Käufe von Sekundärmarkt-Anleihen durch die EZB können helfen, weil dadurch die Preise für die Anleihen auf dem Sekundärmarkt steigen. Wenn der Preis von festverzinslichen Wertpapieren (hier: Staatsanleihen) steigt, fallen im Gegenzug ihre Umlaufrendite und damit die künftigen Refinanzierungskosten. [..]

Der Ökonom Peter Bofinger hat zuletzt vorgeschlagen, die EZB solle eine klare Ansage machen, dass sie Renditen spanischer oder italienischer Staatsanleihen von vier Prozent für akzeptabel hält und entsprechend durch Sekundärmarktkäufe diese Obergrenze durchsetzen will [3]. Dieser Vorschlag klingt vernünftig, auch wenn es natürlich noch viel sinnvoller wäre, wenn die EZB Italien direkt Staatsanleihe zu 0,75 oder 1 Prozent abkaufen würde. Da der EZB aber Primärmarktankäufe durch die Europäischen Verträge verboten sind, sind Sekundärmarktinterventionen eine, wenn auch bescheidene, dritt- oder viertbeste Lösung, die wir nicht verteufeln sollten.

Bei aller Anerkennung der pragmatischen Politik der EZB, die sich damit in der Krise scharf vom Dogmatismus der Deutschen Bundesbank abgesetzt hat, darf natürlich der
Hinweis nicht fehlen, dass auch die EZB ihre Anleihekäufe an die Erfüllung der Spardiktate des Europäischen Stabilitätsmechanismus als Vorbedingung knüpft und dass sie als Teil der Troika zusammen mit der EU-Kommission und dem Internationalen Währungsfonds treibende Kraft einer unsozialen und krisenverschärfenden Wirtschaftspolitik in den Krisenländern ist.

Entsprechend berechtigt ist die Befürchtung, dass diese Spardiktate der wirtschaftlichen Entwicklung der Krisenstaaten viel mehr schaden, als die Anleihekäufe nützen können.

Aber: die Spardiktate greifen sowieso, dafür sorgen inzwischen zahlreiche sanktionsbewehrte Vereinbarungen auf EU-Ebene (u.a. Fiskalvertrag, Euro-Plus-Pakt), für welche nicht die EZB die Verantwortung trägt, sondern die europäischen Regierungen und Parlamente. Wenn der Druck der Finanzmärkte auf Italien und Spanien nicht nachlässt, müssen beide Länder früher oder später ohnehin beim ESM „Hilfen“ beantragen.

Die EZB-Entscheidung nimmt also nichts vom Schrecken der Merkelschen „Euro Rettungsstrategie“. Sie bietet aber ein wenig Balsam, um mit dem Schrecken etwas besser umgehen zu können. Allein die Ankündigung, dass die EZB notfalls unbegrenzt Anleihen aufkaufen wird, hat auf den Finanzmärkten Druck vom Kessel genommen.

Demnach sollte nicht der EZB-Balsam in der Kritik stehen, sondern die Hauptverantwortliche für den ESM, Angela Merkel.

Es bleibt dabei: Für die Krise der Währungsunion und die Zockerei der Banken ist die Politik mit ihrer falsch verstandenen EU-Integration, ihrer mangelhaften Finanzmarktregulierung und ihrer falschen Verteilungspolitik verantwortlich – nicht die Geldpolitik der Zentralbank. [..]

Anleihen von Krisenländern bergen weniger Gefahren für die SteuerzahlerInnen als oft Behauptet
Es ist daher schade, dass auch von LINKER Seite gegen das Anleiheprogramm der EZB das Argument zu hören war, der Aufkauf berge unkalkulierbaren Risiken für die deutschen SteuerzahlerInnen, denn sie müssten entsprechend ihrem Kapitalanteil an der EZB mit 27 Prozent für mehr als ein Viertel sämtlicher Verluste aus diesen Anleihen aufkommen.

Natürlich beinhalten die von der EZB geplanten Anleihe-Käufe ein Ausfallrisiko. Es ist aber irreführend, wenn diese Papiere – auch von einzelnen Protagonisten der LINKEN – als „Giftmüll“ bzw. als quasi wertlos dargestellt werden. Italien und Spanien sind keine bankrotten Volkswirtschaften und mit einer umsichtigen und sozial ausgewogenen Rettungsstrategie – verbunden mit einer Abschirmung der Staatsfinanzierung von der Willkür der Märkte durch EZB-Kredite und Eurobonds – würden beide Länder ihre Schulden zurückzahlen können. Zwar wissen alle, dass derzeit keine vernünftige Rettungsstrategie angewandt wird, aber man kann einen Patienten mit einem Schnupfen auch nicht gleich für Tod erklären, nur weil man weiß, dass dessen unfähiger Arzt bislang die meisten seiner Schnupfen-Patienten zu Tode kuriert hat. Nicht die Patienten sind dann todkrank, sondern der Arzt ist ein Kurpfuscher.

Das Ausfallrisiko von italienischen und spanischen Anleihen hängt im Wesentlichen also davon ab, wie lange die beiden Länder durch die Troika, die deutsche Bundesregierung und ihre eigenen Regierungen weiter heruntergewirtschaftet werden. Man darf das zerstörerische Potential dieser Politik nicht verharmlosen. Sollte es aufgrund der Verschlimmerung durch die falsche Politik zu teilweisen Ausfällen auf Staatsanleihen kommen, die die EZB bis dahin erworben hat, so muss aber auch dies nicht automatisch und sofort zu einer Belastung der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler führen. [..]

Warum gegen die „Rettungsschirme“?
Es hat einen unschönen Beigeschmack, wenn sich linke Kritiker an der verfehlten Euro-Krisenpolitik für die vermeintlichen Interessen der „deutschen SteuerzahlerInnen“ stark machen. Erstens schwingt dabei der dumpfe Unterton mit, der „deutsche Steuerzahler“ sei wichtiger als die SteuerzahlerInnen in anderen Ländern. Zum zweiten gibt es „den deutschen Steuerzahler“ nicht. [..]

DIE LINKE hat die vermeintlichen „Rettungspakete“ bislang zwar stets abgelehnt, diese Ablehnung war aber nie damit begründet, wir würden für „die Griechen“ und die anderen Bevölkerungen in den betroffenen Krisenländern das entsprechende Geld nicht bereitstellen wollen.

Der gemeinsame Nenner, warum die LINKE im Bundestag die Rettungsschirme abgelehnt hat, ist vielmehr die Knüpfung der „Hilfskredite“ an die ökonomisch kontraproduktive und asoziale Sparprogramme. Einigkeit bestand auch darin, dass die Auflagenprogramme darüber hinaus anti-demokratisch sind, weil sie die demokratischen Institutionen der Krisenländer entmachten. [..]

..EFSF und ESM höhlen die Demokratie in Griechenland, Portugal und Italien um ein vielfaches stärker aus, als dies in Deutschland passiert. Denn: den Parlamenten der Krisenländer blieben als Alternativen nur, den Sparprogrammen und damit der haushaltspolitischen Selbstentmachtung zuzustimmen oder ihren Staat in die Insolvenz zu schicken.

Anders in Deutschland: Die schwarz-gelbrot-grünen Mehrheiten in Bundestag und Bundesrat waren willig bereit, das deutsche Parlament durch die Ewigkeitsklauseln des Fiskalvertrags zu entmachten, denn diese Klauseln wurden auf Druck der deutschen, also „ihrer“ Bundesregierung überhaupt erst in den Fiskalvertrag aufgenommen. [..]

Resümee: Der Gegner sitzt in Berlin, nicht in Frankfurt
Auch wenn es aus linker Sicht ungewohnt klingt: Wir sollten aufhören, die Krisenpolitik der EZB anzugreifen, sondern vielmehr ihren Pragmatismus und Undogmatismus betonen. Genau damit gelingt die Abgrenzung von unserem eigentlichen Gegner, der Regierung Merkel: offensichtlich sehen selbst stock-konservative Zentralbanker der EZB in Frankfurt notgedrungen ein, dass mit der reinen Lehre der Neoklassik die Euro-Krise nicht zu überwinden ist.

Wenn eine Bundesregierung dagegen verbrettert an dem Standpunkt festhält, Europa könne sich aus seiner Schuldenkrise heraus sparen, dann erinnert dies fatal an die historisch-traurige Figur des Sparkanzlers Heinrich Brüning in den 1930er Jahren.

Wenn auch die Ausmaße hoffentlich nicht vergleichbar sein werden: wie am Ende der Weimarer Republik so geht auch heute vom politischen Versagen einer deutschen Regierung eine große Gefahr für Europa aus. Die Kollateralschäden des deutschen Regierungsstarrsinns sind schon heute in vielen Teilen (v.a. Süd-)Europas zu besichtigen. Hoffen wir, dass diese Schäden irgendwann wieder gut zu machen sind. [Auszug Ende] [Quelle: nds.de]


Link zum vollständigen Artikel:
Die Euro-Krise, die EZB, die LINKE und das liebe Geld,  bei ' nds.de ' ..hier


Anmerkung von Jens Berger zum Artikel von Axel Trost bei nds.de:
Ergänzend sei angemerkt, dass es keineswegs unumstritten ist, dass die Zentralbanken Buchverluste, die durch Abschreibungen auf Staatsanleihen in ihren Bilanzen entstehen könnten, auch als Verlust ausweisen müssen. Und selbst wenn Verluste ausgewiesen werden, muss sich die EZB diese Verluste nicht durch „den Steuerzahler“ ausgleichen lassen. Artikel 33 der EZB-Satzung [PDF ..hier] sieht eine Verlustübernahme explizit nicht vor. Dort heißt es in Absatz 2:
    Falls die EZB einen Verlust erwirtschaftet, kann der Fehlbetrag aus dem allgemeinen Reservefonds der EZB und erforderlichenfalls nach einem entsprechenden Beschluss des EZB-Rates aus den monetären Einkünften des betreffenden Geschäftsjahres im Verhältnis und bis in Höhe der Beträge gezahlt werden, die nach Artikel 32.5 an die nationalen Zentralbanken verteilt werden.

Hinweis: Ausgenommen von Überschrift und Einleitung, wurde der Artikel wörtlich, jedoch stark gekürzt in Auszügen wiedergegeben.


Anmerkung: Es ist schon ein deutlicher, qualitativer Unterschied zwischen den Ausführungen von Axel Trost, im Vergleich zur dummdreisten Volksverblödung in dem aktuellen sogenannten Qualitätsmedium - Der Spiegel -, wo man sich mit dem reißerischen Aufmacher: Vorsicht Inflation! Die schleichende Enteignung der Deutschen, als PR- Agentur für den Spekulanten PIMCO hergibt. Wie Jens Berger feststellt, spekuliert dieser offensichtlich gegen den Euro. Das die geistigen Konstrukte des Spiegelautors jeden ökonomischen Sachverstand vermissen lassen, braucht man in unserer neoliberalen Medienlandschaft fast nicht mehr besonders zu erwähnen und ist gängige Praxis. JWD


Link zum Artikel von Jens Berger: Der SPIEGEL und die Inflation, bei ' nds.de ' ..hier

 
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