<< zurück | Home | JWD-Nachrichten | Teilen |

15.05.2013 16:05
An die Wand gefahren – Palastrevolution als letzte Rettung?
"Die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt, aber sie stirbt – Tag für Tag ein Stückchen mehr". So endet Jens Bergers heutiger, sehr lesenswerter Artikel in den NachDenkSeiten. In Anbetracht der immer  trostloseren Situation, in die Europa durch die starrsinnige deutsche Wirtschaftspolitik manövriert worden ist, bleibt nur wenig Hoffnung auf so etwas wie eine Palastrevolution, die als letzte Rettung notwendig wäre.  JWD

Jens Berger schreibt:
Der Euro war eine große Chance für Europa. Deutschland hat diese Chance jedoch nie begriffen. Ideologische Scheuklappen haben die Gemeinschaftswährung in eine tiefe Krise manövriert. Ohne eine 180°-Wende wird das Unternehmen „Eurorettung“ scheitern. Leider muss man sich jedoch auch eingestehen, dass es momentan keine Anzeichen für eine solche Wende gibt. Nun könnte nur noch eine europäische Palastrevolution den Euro retten. Vielleicht ist es jedoch dafür jedoch zu spät. Realistisch betrachtet, ist die Wahrscheinlichkeit, dass der Euro die nächsten Jahre überlebt, nicht sonderlich groß. Da der politische und volkswirtschaftliche Schaden eines Euro-Zusammenbruchs epochal sein wird, brauchen wir nun eine konstruktive Debatte, wie ein Exit-Szenario aussehen könnte. Wer sich dieser Debatte verweigert, treibt die Menschen – gewollt oder ungewollt – in die Arme von neoliberalen Populisten, wie der Alternative für Deutschland.

Die deutsche Politik hat sich leider als vernunftresistent erwiesen. Sie hat nie verstanden, dass die einseitige Exportfixierung Deutschlands in Kombination mit der vorangetriebenen Schwächung der Binnennachfrage durch Lohnkürzungen in einem gemeinsamen Währungsraum zu desaströsen Ungleichgewichten führen muss. Sie hat auch nie verstanden, wie wichtig es ist, diese Ungleichgewichte abzubauen. Selbst als der Eurozone in der Krise die Pistole an den Kopf gesetzt wurde, weigerte sich Deutschland eine „innere Aufwertung“ umzusetzen, bei der Deutschland durch eine Stärkung der Binnennachfrage seinen Außenhandelsüberschuss abbauen kann. Im Gegenteil: Im letzten Jahr erzielte die deutsche Volkswirtschaft den zweithöchsten Außenhandelsüberschuss der Geschichte – nur im Vorkrisenjahr 2007 lag der Wert noch höher. Dass Deutschland damit im nächsten Jahr zum dritten Mal in Folge gegen die Kriterien des europäischen Stabilitäts- und Wachstumspakts verstößt, wird hierzulande noch nicht einmal wahrgenommen.

Parallel dazu befinden sich die Volkswirtschaften der „Krisenländer“ im freien Fall, während die realwirtschaftliche Krise längst den Kern der Eurozone erreicht hat. Nach den Schätzungen der Frühjahrsprognose der EU-Kommission wird Deutschland neben dem kleinen Bankenstadtstaat Luxemburg in diesem Jahr das einzige Gründungsmitglied der EU sein, das überhaupt noch ein – wenn auch mageres – Wirtschaftswachstum erzielen kann. Die Eurokrise ist längst nicht mehr eine Krise der Europeripherie, auch wenn sie dort am verheerendsten wütet.

Mit Volldampf auf die Klippe zu
Doch anstatt der Krise entgegenzuwirken, gießt die Bundesregierung durch ihr Spardiktat weiteres Öl ins Feuer. Getreu dem Motto der Hunnenrede „Pardon wird nicht gegeben!“ ignoriert man dabei sogar, dass mit der Korrektur des Fiskalmultiplikators und der Widerlegung von Reinhart/Rogoff auch die letzten (pseudo)wissenschaftlichen Fundamente der deutschen „Sparpolitik“ weggefallen sind.

Anstatt das eigene Versagen einzugestehen, geht man lieber in die Vorwärtsverteidigung und macht den Mangel an Argumenten auf internationalen Konferenzen durch steigende Lautstärke („Brüllorgie“) wett. Es würde wohl auch niemanden großartig überraschen, wenn Wolfgang Schäuble im Bundestag den Satz „Den Monetarismus in seinem Lauf, hält weder Ochs´ noch Esel auf“ vor sich hinnuscheln würde. Die Regierungsparteien nehmen die Realitäten nur sehr selektiv wahr und es ist auszuschließen, dass sie ohne Druck von außen von ihrem sturen Kurs abweichen.

Nicht irgendwelche populistischen Splitterparteien, sondern CDU/CSU und FDP sind die eigentlichen „Eurogegner“, da sie alles in ihrer Macht stehende tun, um den Euro scheitern zu lassen. Und da auch die Oppositionsparteien SPD und Grüne sich beim Thema „Eurorettung“ nicht großartig von den Regierungsparteien unterscheiden, ist absehbar, dass es in näherer Zukunft keine innere Aufwertung in Deutschland geben wird. Bestenfalls wird Berlin sich zähneknirschend dazu durchringen können, kleinere Kurskorrekturen vorzunehmen. Der Tanker läuft jedoch mit voller Fahrt in Richtung Klippen, kleinere Kurskorrekturen reichen da nicht mehr aus.

Letzte Hoffnung: Palastrevolution
Die letzte Hoffnung für den Euro liegt somit nicht mehr in Berlin, sondern in den Hauptstädten der anderen Euroländer. Auch wenn die öffentliche Wahrnehmung etwas anderes suggeriert, ist Europa (noch) kein Protektorat Deutschlands. Frankreich, Italien, Belgien, die Niederlande und Spanien sind souveräne Staaten und können gemeinsam die deutsche Vormacht beim Unternehmen „Eurorettung“ kippen. Es ist ja auch nicht so, dass Deutschland auch nur im Ansatz für die Mehrheit der Euroländer spricht. Streng genommen verfügt Deutschland mit Finnland und (mit deutlichen Abstrichen) Österreich nur noch über zwei echte Verbündete. Es gibt somit kein europäisches Gremium, in dem der deutsche Kurs eine ausreichende Mehrheit haben müsste. Gegner des deutschen Kurses hätten zudem die volle Unterstützung der G7 – auch in dieser Gruppe ist Deutschland mittlerweile isoliert und vor allem aus den USA und Japan gibt es immer massivere Kritik am deutschen Kurs.

Spätestens 2014 werden sich die Machtverhältnisse in Europa ohnehin massiv verschieben. Nach den Europawahlen wird sich ein neues Europaparlament konstituieren. Schon heute hat die „Sparpolitik“ Berlins in Brüssel und Straßburg keine Mehrheit. 2014 wird auch eine neue EU-Kommission „gewählt“ und nach dem Abtritt von EU-Kommissionspräsident Barroso und Währungskommissar Rehn werden die Karten neu gemischt. Ob es dann noch siebzehn Eurostaaten geben wird, ist jedoch eher unwahrscheinlich. Es ist jedoch auch keinesfalls ausgemacht, dass eine europäische „Palastrevolution“ Deutschland wirklich von seinem zerstörerischen Kurs abbringen kann. Um den Euro wirklich zu retten, müssten beispielsweise das EZB-Statut überarbeitet werden und verschiedene bereits verabschiedete Gesetze, wie z.B. der Fiskalpakt, rückgängig gemacht werden. Da es sich hierbei um multilaterale Verträge handelt, ist jedoch eine deutsche Zustimmung zwingend notwendig. Und momentan fehlt selbst Optimisten die Phantasie, eine deutsche Zustimmung auch nur als halbwegs realistisch zu betrachten. [..] [Quelle: nds.de]

Weiterlesen im Originalartikel bei ' nachdenkseiten.de ' ..hier


 
<< zurück | Home |