<< zurück | Home | JWD-Nachrichten | Teilen |

17.02.2014 13:10
Sigmar Gabriel und die Abenomics
Wir dokumentieren hier einen interessanten Text des japanischen Premierministers Shinzo Abe (in einer deutschen Übersetzung), in dem der Premierminister fast wörtlich im Jahre 2014 das sagt, was ich vor einigen Tagen aus einem meiner Texte aus dem Jahre 2000 zitiert hatte. [Quelle: flassbeck-econimics.de]  JWD

Shinzo Abe hat sich die Statistiken über das Lohnwachstum angesehen und war entsetzt, dass Japan so weit nach unten abfällt. Späte Erkenntnis, aber immerhin eine gute und klare Erkenntnis. Nun will er in einer konzertierten Aktion von Arbeitgebern und Arbeitnehmern dafür sorgen, dass die Lohndeflation rasch zu Ende geht und Japan wieder eine sich normal entwickelnde Volkswirtschaft wird. Auch das ist sehr richtig. Er sagt, dass die Löhne zwar von den Tarifpartnern bestimmt werden, dass aber der Staat Einfluss nehmen kann und muss. Der japanische Premierminister hätte noch fragen sollen, was eigentlich die Ökonomen in Japan und anderswo gemacht haben, die mehr als zwanzig Jahre an der Deflation herumrätseln. Und er sollte sich überlegen, ob er nicht hundert neue Lehrstühle für Makroökonomie einrichten will, auf die kein einziger neoklassisch-monetaristisch ausgebildeter Ökonom berufen werden darf, um der Volkswirtschaftslehre vom Land der aufgehenden Sonne aus einen Neuanfang zu ermöglichen.

Wie viele Jahre wird es hierzulande noch dauern, bis die deutschen Politiker verstehen, dass Lohnsenkung oder auch nur das Zurückbleiben der Reallöhne hinter der Produktivität eine fundamental falsche Politik ist?* Sucht man die Antwort darauf im jüngsten einschlägigen Dokument, dem Jahreswirtschaftsbericht der Bundesregierung (über dessen zentrale Lohnaussage es eine schon komisch zu nennende Debatte gibt, die man hier findet), wird man nicht recht fündig. Zwar ist der Bericht im Vergleich zu seinem Vorgänger moderat im Ton und betont auch die Bedeutung der Löhne für die Nachfrage (explizit wird für die Prognose angenommen, dass die Reallöhne steigen wie die trendmäßige Produktivität), aber konsequent ist das bei weitem noch nicht.

Der Jahreswirtschaftsbericht erwartet eine Zunahme der Bruttolöhne und -gehälter je Arbeitnehmer in diesem Jahr von 2,7 Prozent, etwas mehr als 2013 (2,3) und weniger als 2012 (2,9). Das verfügbare nominale Einkommen der privaten Haushalte (2,9 im Jahr 2014 nach 2,1 im vergangenen Jahr) und der gesamte reale Konsum (1,4 nach 0,9) können in dieser Prognoserechnung nur deswegen 2014 deutlich stärker steigen als 2013, weil die Unternehmenseinkommen mit 4,6 Prozent nach 2,8 im Jahr 2013 stärker zulegen sollen. Erheblich zunehmende Gewinne soll es bei nur noch minimal steigendem Außenbeitrag geben (die Exporte nehmen in der Prognose weniger zu als die Importe, jedoch ausgehend von einem höheren Niveau), weil es laut Wirtschaftsministerium zu einer Investitionsbelebung (+ 4 Prozent) kommt.

Da befruchtet dann das eine das andere: Die Gewinne steigen, weil die Investitionen steigen. Doch warum steigen die Investitionen? Etwa weil die Gewinne steigen? Da bisse sich die Katze in den Schwanz. Weil der Konsum halbwegs wächst? Doch das tut er ja nur, weil die Gewinne steigen. Woher also kommt der Impuls, der den Zug ins Rollen bringt, auf den dann gern alle aufspringen?

Das ist der typische Fall, wie sich Angebotstheoretiker glücklich rechnen. Für die Investitionsbelebung gibt es derzeit keine Anzeichen. Der entscheidende Indikator (die Nachfrage nach Investitionsgütern aus dem Inland) ist, wie die Bundesbank-Statistik zeigt, flach wie ein Brett. [..]

Weiterlesen im Originaltext bei ' flassbeck-economics.de ' ..hier


Anmerkung: Der deutschsprachige Artikel bei Wikipedia zu Abenomics ist ein typisches Beispiel für die gängige diffuse, meist irreführende Darstellung ökonomischer Zusammenhänge nach angebotsideologischem Muster. Zwei Links zu gegensätzlichen Beurteilungen sind sehr aufschlussreich: 1. von Josef Stiglitz ..hier und 2. von Georg Erber ..hier. Erbers Ausführungen beinhalten die fast vollständige Palette neoliberalen Geschwätzes.


Hinweis zu dem Artikel vom 06.01.2014 bei ' Project-Syndicate ' auf den sich auch (s.o.) Heiner Flassbeck bezieht:

06.01.2014 [Quelle: project-syndicate.org]
Japans bevorstehende „Lohn-Überraschung“
TOKIO – Nach zwei Jahrzehnten der Stagnation schaffte die japanische Wirtschaft im Jahr 2013 die positive Trendwende. Und mit der Ankunft der von uns so bezeichneten „Lohn-Überraschung“ wird sich die Zukunft noch vielversprechender gestalten.

Die seit September intensiv geführten Diskussionen zwischen japanischer Regierung, Wirtschaftsvertretern und führenden Gewerkschaftern waren darauf ausgerichtet, eine Aufwärtsdynamik in Gang zu setzen, im Rahmen derer steigende Löhne zu einem robusteren Wachstum führen sollen. Ich habe bislang an zwei der vier Beratungen teilgenommen, die unseren Finanzminister, den Wirtschaftsminister, den Arbeitsminister sowie Führungspersonen aus der Wirtschaft wie Akio Toyoda, Vorsitzender von Toyota Motors, und Nobuaki Koga, Chef des japanischen Gewerkschaftsbundes, zusammenführten. Nach diesen Sitzungen fühlte ich mich jedes Mal zuversichtlich und bestärkt.

Machen wir uns nichts vor. Der Deflationsdruck hat in Japan – und nur in Japan – über ein Jahrzehnt angehalten. Zu Beginn meiner Amtszeit als Premierminister lancierte ich die von Beobachtern als „Abenomics“ bezeichnete Wirtschaftspolitik, weil das Nominallohnniveau nur in meinem Land über eine erstaunlich lange Zeit negativ geblieben war.

Als ich die Statistik zum ersten Mal sah, war ich entsetzt: das Lohnniveau in Japan war seit dem Jahr 2000 jährlich um durchschnittlich 0,8 Prozent gefallen. Im Vergleich dazu lag das durchschnittliche Nominallohnwachstum in den Vereinigten Staaten und Großbritannien bei 3,3 Prozent und in Frankreich bei 2,8 Prozent. Im Jahr 1997 erhielten die Lohnempfänger in Japan brutto insgesamt 279 Billionen Yen; bis 2012 war dieser Wert auf 244,7 Billionen Yen gefallen.

Anders ausgedrückt: die japanischen Lohnempfänger haben in den letzten fünfzehn Jahren 34,3 Billionen Yen eingebüßt – dieser Wert liegt höher als das jährliche BIP von Dänemark, Malaysia oder Singapur. Nur wenn es gelingt, diesen Trend umzukehren, wird Japans Wirtschaft wieder einen langfristigen Aufwärtskurs nehmen können. [..]

Weiterlesen im Originaltext bei ' project-syndicate.org ' ..hier


 
<< zurück | Home |