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06.10.2014 12:10
Bontrup-Erwiderung, die zweite:
Ist Arbeitzeitverkürzung beschäftigungsfördernd?

Wie angekündigt wollen wir die drei am meisten diskutierten Möglichkeiten untersuchen, wie die Lohnpolitik auf Produktivitätszuwächse reagieren soll, um Arbeitslosigkeit zu bekämpfen. Ziel der Untersuchung ist herauszufinden, ob eine, mehrere oder gar alle drei Varianten erfolgversprechend sind. Ausgangspunkt aller drei Szenarien sei ein Anstieg der Arbeitsproduktivität, also des realen Outputs pro Arbeitsstunde, um 2 Prozent. (Genau diesen werden wir am Ende der Untersuchung noch genauer unter die Lupe nehmen.) [Quelle: flassbeck-economics.de] JWD


Die eine Möglichkeit der Lohnpolitik, die Heinz-Josef Bontrup beschreibt (wenn auch nicht ausführlich, da er keine Unterscheidung zwischen realen und nominalen Größen trifft), wird meist mit dem Stichwort “Arbeitszeitverkürzung (AZV) bei vollem Lohnausgleich” bezeichnet. Mit “vollem Lohnausgleich” ist gemeint, dass das reale Arbeitseinkommen pro Monat (oder pro Woche) trotz AZV gleich bleibt, also durch die geringere Zahl der geleisteten Arbeitsstunden keine Einkommenseinbußen bei den Beschäftigten entstehen.

Die zusätzlich von Heinz-Josef Bontrup angeführte Tarifvertragsvereinbarung “mit vollem Personalausgleich” wollen wir weiter unten gesondert behandeln, weil es uns zunächst um die direkte Wirkung der AZV (und der entsprechenden Lohnvereinbarung) auf die Beschäftigung geht. Dass Arbeitgeber und Arbeitnehmer Verträge schließen können, in denen sich die Arbeitgeber verpflichten, mehr Beschäftigte (zu welchen Konditionen auch immer) anzustellen oder ein vorgegebenes Arbeitsvolumen auf mehr Beschäftigte zu verteilen, ist richtig. Aber wir wollen hier ja herausfinden, ob die AZV (bei vollem Lohnausgleich) selbst einen eigenständigen Anreiz für die Arbeitgeber liefert, mehr Arbeitskräfte zu beschäftigen. Ansonsten könnte man ja auch Tarifabschlüsse tätigen, in denen vereinbart wird, dass zum einen die Löhne gemäß der goldenen Lohnregel steigen und zum anderen soundso viele zusätzliche Arbeitskräfte eingestellt werden. Das wäre dann auch kein Nachweis, dass Lohnabschlüsse gemäß der goldenen Lohnregel beschäftigungsfördernd wirken könnten, sondern man würde lediglich feststellen, dass die Beschäftigung steigt, wenn man das vertraglich beschlossen hat und sich die Vertragspartner an diese Abmachung halten.

Da wir uns bei der Diskussion für die genaue Wirkungsweise der Lohnpolitik im Ablauf des Wirtschaftsgeschehens interessieren, betrachten wir zugleich die Entwicklung der Preise. (Die ist schließlich gegenwärtig eines der zentralen Probleme in Europa – Stichwort Deflation. Ihr wird ja die Misere am Arbeitsmarkt mit angelastet. Daher darf sie bei der allgemeinen Untersuchung der Wirkung der Lohnpolitik auf die Beschäftigung nicht vergessen werden, auch wenn sie erst ganz am Ende unserer Untersuchung eine Rolle spielen wird.) Wir gehen davon aus, dass das Inflationsziel der Zentralbank von 2 Prozent in die Lohnpolitik miteinfließt. Dementsprechend bedeutet in dem gewählten Beispiel eine “AZV mit vollem Lohnausgleich”, dass die nominalen Stundenlöhne um 4 Prozent steigen (2 Prozent entsprechend dem Produktivitätszuwachs und 2 Prozent gemäß Zielinflationsrate) und die Arbeitszeit um 2 Prozent sinkt. Die realen Stundenlöhne steigen also genau wie die Produktivität um 2 Prozent, wenn sich die Preise so entwickeln, wie es der Zielinflationsrate entspricht.

Stundenlohnsteigerung und AZV zusammen führen dazu, dass die (bereits) Beschäftigten ein um nominal 2 Prozent höheres Monatsarbeitseinkommen haben, das aber bei 2 Prozent Preissteigerung real konstant bleibt. Die Beschäftigten haben also auf der Einkommensseite nichts verloren, auf der Freizeitseite aber hinzugewonnen, weil sie für das gleiche (reale) Einkommen kürzer arbeiten. Wie entwickelt sich unter diesen Bedingungen ihre Nachfrage nach Gütern? Sie werden mit ihrem real konstanten Monatseinkommen die gleiche reale Gütermenge nachfragen wie zuvor. (Von einer Änderung ihrer Sparquote sehen wir ab.)

Wie sieht die Situation für die Unternehmer aus? Der Anstieg der Produktivität ermöglicht, dass trotz verringerter Arbeitszeit der (bislang) Beschäftigten die gleiche Gütermenge produziert wird wie zuvor. Diese Gütermenge wird zu 2 Prozent höheren Preisen verkauft. Denn auf der Kostenseite sind die Lohnstückkosten (= Lohnkosten pro Stunde dividiert durch produzierte Stückzahl pro Stunde) um 2 Prozent gestiegen (4 Prozent Stundenlohnsteigerung abzüglich 2 Prozent Produktivitätssteigerung). Diese Kostensteigerung müssen die Unternehmer in den Preisen weitergeben, wenn ein einigermaßen starker Wettbewerb herrscht (wovon wir hier ausgehen). Der Umsatz eines Unternehmers ist unter diesen Umständen (gleiche nachgefragte Menge mal um 2 Prozent gestiegener Preis) um nominal 2 Prozent gestiegen, real ist er gleich geblieben.

Was bedeutet das für die Entwicklung der Gewinne? Normalerweise, d.h. unter Wettbewerbsbedingungen, wird ein Stückgewinn als prozentualer Zuschlag (sogenannter Mark-up) auf die Stückkosten aufgeschlagen, so dass sich der Stückpreis eines Gutes aus den Stückkosten und dem Zuschlag, eben dem Stückgewinn, zusammensetzt. Der Mark-up ist umso kleiner, je schärfer der Wettbewerb auf dem entsprechenden Gütermarkt ist. Steigen nun die Stückkosten wie oben angenommen um 2 Prozent, nimmt (bei gleichem Mark-up) der absolute Zuschlag entsprechend ebenfalls um 2 Prozent zu, so dass in den um 2 Prozent gestiegenen Preisen neben der Zunahme der Stückkosten auch ein Anstieg der Stückgewinne um 2 Prozent enthalten ist.

Mit anderen Worten: Bei Absatz der gleichen Gütermenge zu 2 Prozent höheren Preisen nimmt auch der Gesamtgewinn nominal um 2 Prozent zu. Bereinigt um die allgemeine Preissteigerungsrate bleibt der reale Gewinn somit konstant – genau wie die realen Arbeitseinkommen. (Was das für die Motivation von Investoren bedeutet und wie es unter diesen Umständen zu dem oben einfach von außen vorgegebenen Produktivitätsfortschritt kommen kann, ist eine zentrale Frage. Dazu aber erst später mehr.) Die Einkommensverteilung zwischen den beiden Produktionsfaktoren Arbeit und Kapital ändert sich also nicht. [...]

Weiterlesen im Originaltext bei ' flassbeck-economics.de ' ..hier


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