<< zurück | Home | JWD-Nachrichten | Teilen |

22.02.2015 00:00
«Deutschland hat quantitativ mehr gesündigt als Griechenland»
Interview - Was Finanzminister Varoufakis von den Euro-Ländern verlange, sei absolut vernünftig, sagt Heiner Flassbeck.. [Quelle: derbund.ch]  JWD

Herr Flassbeck, wir führen dieses Gespräch am Freitagmorgen. Später am Tag entscheiden die Finanz­minister, ob die Hilfe für Griechenland verlängert wird. Geschieht das?

Ich bin kein Prophet, aber ich vermute, man wird schon irgendeinen Kompromiss finden.

Griechenland braucht das Geld dringend. Pro Tag werden zwischen 300 und 400 Millionen Euro von den Banken abgezogen.

Griechenland braucht in der Tat eine weitere Finanzierung durch die Europäische Zentralbank. Die ist nicht zu 100 Prozent geknüpft an die Verlängerung des Abkommens, aber irgendwie schon. Die griechischen Banken bekommen jetzt kein normales Geld mehr. Das ist in einer Situation, wo Geld abfließt, äußerst problematisch. Insofern steht Griechenland unter enormem Druck.

Der deutsche Finanzminister ­Schäuble hat sauer auf die Vorschläge des griechischen Finanz­ministers Varoufakis reagiert. Er hat erklärt, man könne nicht dauernd über seine Verhältnisse leben und dann immer Vorschläge machen, was andere noch bezahlen sollen.

Die griechische Position ist vernünftig. Wenn etwas unvernünftig ist, ist es die Position der deutschen Regierung. Griechenland fordert das eigentlich Selbstverständliche, nämlich dass eine gescheiterte Politik eingestellt wird. Diese Politik, die in den letzten fünf Jahren von den Gläubigern auferlegt wurde, ist grandios gescheitert. Sie hat zum stärksten Absturz einer Wirtschaft geführt, den wir überhaupt seit der großen Depression gesehen haben. Sie hat in Griechenland katastrophale Zustände verursacht.

Nur: Griechenland hat doch über seine Verhältnisse gelebt, da hat Schäuble recht.

Griechenland hat über seine Verhältnisse gelebt, Deutschland hat unter seinen Verhältnissen gelebt. Wer hat den größeren Fehler begangen? Eindeutig Deutschland. Gemessen an dem, was einmal vereinbart worden ist, eine europäische Währungsunion mit einem Inflationsziel von zwei Prozent. Da muss man sich mit seinen Löhnen an die Produktivität anpassen. Das hat Deutschland nach unten getan, Griechenland nach oben. Deutschland hat aber quantitativ mehr gesündigt als Griechenland. Dieser Hinweis fehlt im Brief von Varoufakis, aber er weiß das, ich habe es ihm persönlich gesagt. (lacht)

Aus Ihrer Sicht hat Griechenland also völlig recht, wenn es die Reformen nicht mehr weiterführen will.

Da hat Griechenland absolut recht. Deutschland absolut unrecht. Weil Deutschland nicht zugeben kann, dass es in den letzten fünf Jahren absolut falsch gelegen hat, verharrt man auf ­einer unsinnigen Position. Das Einzige, worauf wir heute hoffen können, ist, dass in Brüssel, Rom und Paris besser verstanden wird, was schief gelaufen ist. Entsprechende Signale gibt es. Wenn nach fünf Jahren eine Wirtschaft so abgestürzt ist und als Reaktion darauf eine neue Regierung gewählt wird, um etwas anders zu machen, dann kann man ihr nicht sagen: Uns ist egal, wofür ihr gewählt worden seid, wir machen diese unsinnige Politik weiter.

Nochmals: Griechenland hat doch über seine Verhältnisse gelebt.

Wie gesagt: Griechenland hat etwas über seine Verhältnisse gelebt, aber nicht dramatisch. Deutschland hat dramatisch tief unter seinen Verhältnissen gelebt. Beides geht in einer Währungs­union nicht. Seit 2010 macht Griechenland keine eigenständige Politik mehr, alles ist von der Troika haarklein vorgeschrieben worden. Griechenland hat das Schritt für Schritt getan, es hat die größten Lohnkürzungen aller europäischen Nationen hingekriegt, mit dem Ergebnis: Katastrophe.

Und wieso ist das schief gelaufen?

Die Theorie der Troika war, dass man mit Lohnkürzungen Arbeitslosigkeit beseitigt, dass man so Wachstum schafft. Diese Theorie ist grundlegend falsch. Jetzt kommt eine neue Regierung und sagt: Es ist genau das Gegenteil passiert von dem, was ihr erwartet habt und ihr wollt trotzdem weitermachen? [...]

Weiterlesen im Originaltext bei ' derbund.ch ' ..hier

<< zurück | Home |