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30.03.2015 00:00 Germanwings Absturz: Der Fall ist längst nicht aufgeklärt Der Luftfahrtexperte Tim van Beveren kritisiert die französische Staatsanwaltschaft wegen ihrer Darstellung der Absturz-Ursache der Germanwings-Maschine. Er nennt ein anderes mögliches Szenario, etwa Kohlenmonoxid und eine Ohnmacht des Co-Piloten. Die Luftfahrt-Industrie muss den Vorgang lückenlos aufklären, um weitere Katastrophen verhindern zu können. [Quellen: lupocattivoblog.com | DWN] JWD Nachdem der französische Staatsanwalt mitgeteilt hatte, der Co-Pilot des Germanwings-Fluges habe den Absturz vermutlich absichtlich herbeigeführt, machte sich eine Heerschar von Hobby-Psychologen und Ferndiagnostikern auf, um zu „analysieren“, was für ein Mensch der Co-Pilot gewesen sein müsste, dass er eine solch grausame Tat begehen konnte. Die durchaus berechtigte Hypothese, der junge Pilot könnte die Katastrophe in selbstmörderischer Absicht herbeigeführt haben, ist innerhalb weniger Stunden zum Faktum geworden. Tatsächlich ist die Annahme der Ermittler eine Hypothese, nicht mehr. Der Luftfahrtexperte Tim van Beveren, selbst Pilot, weist im Berliner Radiosender Radioeins darauf hin, dass es unmöglich sei, jetzt schon mit Bestimmtheit sagen zu können, wie es wirklich zu der Katastrophe gekommen ist. Van Beveren:
Und weiter: „Eine Flugzeugturbine ist ein hochkomplexes Bauteil, in dem unzählige Leitungen verbaut sind, die gesundheitsschädliche Betriebsstoffe wie Öl, Hydraulikflüssigkeit und ähnliches enthalten. Selbstverständlich handelt es sich hierbei um geschlossene Systeme, allerdings kann es vorkommen, dass Dichtungen defekt oder leck sind. Und dann wird es für die Insassen eines Flugzeuges möglicherweise problematisch. Tritt Turbinenöl aus lecken Dichtungen aus, kann es die abgezapfte Luft („Zapfluft“) kontaminieren, die wiederum in die Kabine geleitet wird. Das Öl, das in Flugzeugturbinen zum Einsatz kommt, enthält zahlreiche gesundheitsschädliche Additive, unter anderem das hochtoxische Trikresylphosphat, kurz TCP, ein gefährliches Nervengift.“ Sowohl die Sendung Monitor (erstes Video unter dem Artikel) als auch das Schweizer Fernsehen (zweites Video) haben dokumentiert, wie gefährlich das in der Fachsprache „Aerotoxisches Syndrom“ genannte Phänomen sein kann. Solche Zwischenfälle kommen viel häufiger vor, als gemeinhin bekannt ist. Die Pilotenvereinigung Cockpit spricht von einer hohen Dunkelziffer, weil die Airlines mit hohen Entschädigungs- und Prozesskosten rechnen müssen. Auffällig ist, dass es auch bei dem bis heute nicht aufgeklärten Absturz der malaysischen MH370ebenfalls einen langen Flug gegeben hat, bei dem sich die Crew nicht bei der Flugsicherung gemeldet hatte, bevor die Maschine ins Meer stürzte. Ob es auch im konkreten Fall der Germanwings zu einem solchen Vorfall gekommen ist, ist unbekannt. Die Flugexperten von Austrian Wings halten dies für nicht wahrscheinlich. Thomas Müller erklärt DWN:
Andere Szenarien sind derzeit mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen, da nichts zusammenpasst. Dazu ein paar kurze Beispiele: Bei einem Vorfall mit kontaminierter Kabinenluft, bei dem beide Piloten plötzlich bewusstlos werden, fliegt das Flugzeug seinen vorprogrammierten Kurs weiter bis der Sprit ausgeht, ebenso bei einem Druckverlust, der so plötzlich auftritt, dass die Besatzung nicht einmal mehr Zeit hat die Sauerstoffmasken anzulegen (was extremst unwahrscheinlich wäre). Hier aber erfolgte ein aerodynamisch stabiler Sinkflug, soviel wir aus den Radardaten wissen, ein Manöver, dass nur vom Piloten manuell oder durch Programmierung des Autopiloten geflogen werden kann. Der Umstand, dass dies geschehen ist, aber weder über den Transponder noch über Funk ein Notsignal abgegeben wurde und die Cockpittüre offenbar von innen verriegelt wurde und das verzweifelte Klopfen des zweiten Piloten [?] von außen zu hören ist, lässt nach derzeitigem Kenntnisstand bedauerlicherweise tatsächlich nur den Schluss zu, dass hier einer der Piloten, konkret der Erste Offizier, Suizid begangen hat, so unglaublich das auch klingen mag.“ Viel wichtiger als ausufernde und niemals zu belegende Spekulationen über den psychischen Zustand des Co-Piloten ist eine umfassende Fehleranalyse. Sie muss auch dann zu Veränderungen führen, wenn zwar nicht nachgewiesen werden kann, dass ein technisches Gebrechen den Absturz verursacht hat, es jedoch denkbar wäre, dass dies der Fall gewesen sein könnte. Für die Luftfahrtindustrie – Hersteller und Airlines – sind technische Konsequenzen mit unangenehmen Folgen und erheblichen Kosten verbunden. Doch das Vertrauen der Passagiere wird durch mangelhafte Aufklärung stärker und nachhaltiger erschüttert als durch schnelle Pseudo-Maßnahmen. Es ist sinnvoll, dass immer zwei Personen im Cockpit sein müssen, wie die deutschen Airlines es nun praktizieren wollen. Doch ein Generalverdacht gegen die Piloten schafft keine echte Sicherheit: Wenn es wirklich technische Gebrechen gibt, die zum Absturz führen, sind auch zwei Leute im Cockpit machtlos. Es ist jedoch im ureigenen Interesse der Luftfahrt-Branche, ihr Geschäft trotz Wettbewerbs, Kostensenkungen und Profit-Orientierung so sicher zu machen, dass Fliegen als ein hochkomplexer Beförderungsweg nicht zur Lotterie über Leben und Tod werden kann. Link zum Originaltext bei ' lupocattivoblog.com ' ..hier | bei DWN ..hier
Video – Textbeschreibung: Die Flugzeugindustrie spricht nicht gerne darüber:
Weil die Luft in der Kabine bis heute ungefiltert von den Triebwerken abgezapft
wird, kommt es immer wieder zu gravierenden Vorfällen mit Öldämpfen in den
Flugzeugkabinen. So zum Beispiel vergangene Woche auf einem Air Berlin Flug von
New York nach Berlin, nach dem das Flugpersonal sogar im Krankenhaus behandelt
werden musste.
Während des Fluges riecht es plötzlich unangenehm. Grund: Über die Ventilation
strömen Rauch und Dämpfe in das Flugzeug, verursacht durch undichte Stellen im
Motor. Was die Flugzeugbranche verschweigt: Es gelangen Giftstoffe in die
Kabinen.
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