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20.02.2016 00:30
Eingreifen Russlands in den Krieg in Syrien
hat die Optionen der USA stark reduziert

Auch in der New York Times war zu lesen, dass die US-Pläne für Syrien nach dem Eingreifen Russlands wohl nicht mehr umzusetzen sind. [Quelle: luftpost-kl.de]  JWD

Von David E. Sanger | The New York Times, 10.02.2015 |  Übersetzung: Luftpost-KL

Screenshot  |  Quelle: NYT

MÜNCHEN – Seit Monaten beharren die USA darauf, dass es im syrischen Bürgerkrieg keine militärische Lösung, sondern nur eine politische Übereinkunft zwischen dem Präsidenten Baschar al-Assad und der in Fraktionen aufgespaltenen syrischen Opposition geben könne, die ihn stürzen will.

Nach tagelangen russischen Bombenangriffen könnte es den Truppen Assads gelingen, die wichtige Stadt Aleppo wieder zurückzuerobern; mit russischer Hilfe hätten sie dann die US-Regierung eines Besseren belehrt. Ein höherer US-Offizieller hat am Mittwoch bereits zugestanden, dass doch eine militärische Lösung möglich sein könnte; diese Lösung wäre dann aber nicht von den USA, sondern vom russischen Präsidenten Wladimir Putin herbeigeführt worden.

Mit diesem Problem ist nun auch US-Außenminister John Kerry konfrontiert – in den schwierigen Verhandlungen über eine Waffenruhe und die Einrichtung eines "humanitären Korridors" zur Versorgung der hungernden Bevölkerung in mehr als einem Dutzend syrischer Städte, die überwiegend von Truppen Assads belagert werden. Das militärische Eingreifen Russlands hat das Patt beendet, das jahrelang den Syrien-Konflikt geprägt hat. Plötzlich sind Assad und seine Verbündeten auf dem Vormarsch, und die von den USA unterstützten Rebellen sind auf der Flucht. Wenn jetzt eine Waffenruhe zustande kommt, wird Assad vermutlich mehr syrisches Territorium kontrollieren und mehr Einfluss haben als zu Beginn des Aufstandes im Jahr 2011.

Kerry wird in den Verhandlungen kaum Druck ausüben können: Nach Aussagen mehrerer ehemaliger und aktiver US-Offizieller haben die Russen viele der Verbindungen gekappt, die von der CIA "nicht allzu verdeckt" mit der Bewaffnung syrischer Rebellen aufgebaut wurden. Die Unterstützer Kerrys in der US-Regierung sind frustriert, weil seine Verhandlungsposition wegen der zu geringen militärischen Aktivitäten der USA in Syrien nicht besonders stark ist.

In seinen öffentlichen Äußerungen versucht Kerry sein Dilemma herunterzuspielen. "Wir wissen alle, wie kritisch die derzeitige Lage ist," sagte er am Dienstag.

Seine Kollegen in der US-Regierung befürchten aber, dass die schon seit drei Monaten laufenden Bemühungen um eine politische Lösung scheitern werden. Wenn das geschieht, werden Präsident Obama und Kerry gezwungen sein, die Umsetzung ihres Planes B in Betracht zu ziehen, der den Einsatz von Bodentruppen gegen Assad vorsieht. Das versucht Obama seit fünf Jahren zu vermeiden, weil er dann auch mit Führern oppositioneller syrischer Kräfte zusammenarbeiten müsste, denen er misstraut.

Ohne Verständigung auf eine politische Lösung oder den Einsatz von Bodentruppen werden die USA wenig Einfluss auf den weiteren Verlauf des Krieges in Syrien nehmen und auch nicht mehr alle Kriegsparteien zum gemeinsamen Kampf gegen den Islamischen Staat vereinen können.

Auf einem weiteren Treffen der 17 Staaten, die sich im Herbst letzten Jahres auf Grundsätze für eine politische Lösung verständigt hatten, beklagten sich mehrere Verbündete Washingtons über das zurückhaltende Engagement der USA, weil das Eingreifen Russlands die Situation am Boden grundlegend verändert habe.

Laurent Fabius, der französische Außenminister, nutzte die Ankündigung seiner baldigen Verabschiedung in den Ruhestand, um erneut auf Lücken in dem US-Plan für Syrien hinzuweisen; er hält ihn für "mehrdeutig" und vermisst ebenfalls ein stärkeres US-Engagement. Im Laufe seiner Amtszeit hat er die USA schon wiederholt wegen ihres Zauderns kritisiert und damit nicht nur das US-Außenministerium, sondern auch das Weiße Haus verärgert; beide werfen den Franzosen vor, ihrem öffentliche Gerede keine eigenen Taten folgen zu lassen, um nicht selbst in einen Konflikt mit offenem Ausgang verstrickt zu werden.

Weil die USA die Kurden unterstützen, die von den Türken bekämpft werden, kam es zu einem offenen Bruch mit der Türkei. Der türkische Präsiden Recep Tayyip Erdogan wirft Washington vor, die syrischen Kurden nicht als Terroristen zu behandeln. "Stehen die USA im Kampf gegen den Islamischen Staat auf unserer Seite oder auf der Seite der Terroristen von der PYD und der PKK?" fragte Erdogan in einer Rede vor Provinz-Beamten in der türkischen Hauptstadt Ankara. Die US-Regierung betrachtet die Kurden nämlich als die einzigen Kämpfer, die sich erfolgreich gegen den Islamischen Staat zur Wehr setzen.

Dann pöbelte Erdogan, der Präsident eines NATO-Staates, die USA direkt an: "He, ihr US- Amerikaner, in der Region fließen jetzt nur deshalb ganze Ströme von Blut, weil ihr die Kurden nie zu Terroristen erklärt habt."

Der Hauptgrund für das strategische Dilemma der USA ist der Erfolg der russischen Militärintervention, die Obama Ende letzten Jahres noch als "übereilte Muskelspielerei" abgetan hat; sie ist überraschend erfolgreich und hat die Rückeroberung wichtiger syrischer Städte ermöglicht, die Assad für den Machterhalt – zumindest in einem syrischen Rumpfstaat – braucht.

James R. Clapper, der Direktor aller US-Geheimdienste, hat letzte Woche vor dem US- Kongress einen erschreckenden Bericht über die russischen Erfolge vorgetragen, die auch dann beachtlich seien, wenn sie nur von kurzer Dauer wären.

"Putin ist der erste Staatschef seit Stalin, dem es gelungen ist, das Territorium Russlands zu vergrößern," erklärte Clapper vor einem Senatsausschuss. Nach seiner Niederlage in Afghanistan vor 35 Jahren habe Russland erstmals wieder seine verbesserten militärischen Fähigkeiten demonstriert und gleichzeitig nachgewiesen, das der Kreml sie auch zu nutzen wisse.

Er glaubt, Putin werde das russische Engagement wegen der fallenden Ölpreise nicht über einen längeren Zeitraum fortsetzen können, gab aber trotzdem eine düstere Prognose für die Umsetzung der Syrien-Pläne Washingtons ab: "In Syrien haben die das Regime stützenden Kräfte die Initiative ergriffen und strategisch wichtige Geländegewinne bei den im Norden liegenden Städten Aleppo und Latakia sowie im Süden Syriens gemacht." Assad mangle es zwar an Soldaten, sie kämpften aber unter einer einheitlichen Führung.

"Die Opposition hat eine schlechtere Ausrüstung, geringere Feuerkraft und keine gemeinsame Führung," erklärte Clapper vor den Senatoren. "Einzelne Gruppen verfolgen manchmal unterschiedliche Ziele und bekämpfen sich auch gegenseitig."

Obama war vorsichtig; er wies den Plan seiner damaligen Außenministerin Hillary Clinton und des damaligen CIA-Direktors David H. Petraeus zurück, die Rebellen-Gruppen umfassend zu bewaffnen, (Infos) und hielt sich stattdessen eher zurück. Weil die den Rebellen gewährte verdeckte Unterstützung zu den am schlechtesten gehüteten Geheimnissen Washingtons gehört, ist der Eindruck entstanden, die militärische Intervention Putins sei erfolgreicher.

Aus Untersuchungen des Institute for the Study of War (..hier) zum Kriegsverlauf in Syrien geht hervor, dass Assad mit Unterstützung der Russen und der Iraner genügend wichtige Städte zurückgewinnen konnte, um am der Macht zu bleiben.

Aktive und ehemalige Mitarbeiter der US-Regierung sehen Parallelen zur Strategie Putins in der Ukraine: Während sein Außenminister Sergei W. Lawrow über eine Waffenruhe und eine politische Lösung verhandelt, schaffen die russischen Streitkräfte auf dem Schlachtfeld Fakten.

Die russischen Erfolge haben Obamas Optionen eingeschränkt. Die beabsichtigte Einrichtung einer "Flugverbotszone" ist nicht mehr möglich, seit russische Kampfjets über Syrien kreisen.

Offiziell fordern die USA immer noch, Assad müsse zurücktreten, Kerry und seine Mitarbeiter sagen aber nicht, wann das geschehen und ob er an der Einsetzung einer neuen Regierung beteiligt werden soll. Auch die Suche nach einem sicheren Exil für Assad scheinen sie aufgegeben zu haben.

Derzeit ist nicht mehr zu erkennen, was die US-Regierung in Syrien eigentlich erreichen will. In einem vor drei Monaten in Wien vereinbarten Dokument wurde festgehalten, dass Syrien ein ungeteilter, einheitlicher Staat bleiben solle. Das wird aber immer unwahrscheinlicher. Inzwischen wird – wenn auch nicht offiziell – über die Aufspaltung Syriens in drei Teilstaaten für Alawiten, Sunniten und Kurden diskutiert.

Kerry verhandelt nur noch über drängende Fragen – über eine Waffenruhe und humanitäre Zugänge (zu belagerten Städten). Damit kann er "Abu Youssef", der nach den wieder aufgeflammten Kämpfen auf seinem Gehöft bei Aleppo Dutzende von (aus der Stadt geflohenen) Syrern beherbergt, nicht beeindrucken. Der hat uns gebeten, seinen richtigen Namen aus Sicherheitsgründen zu verschweigen.

"Erst wenn Aleppo ganz zerstört und gefallen ist und die Russen gesiegt haben, werden sie über eine Waffenruhe verhandeln," sagte er in einem Online-Chat.

Anne Barnard aus Gaziantep in der Türkei, Hwaida Saad aus Beirut im Libanon und Somini Sengupta bei den Vereinten Nationen haben zu diesem Bericht beigetragen.

Link zum Originaltext bei ' luftpost-kl.de ' (PDF) ..hier


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