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14.05.2016 04:45
"TTIP bedeutet nicht Freihandel,
sondern Sonderrechte für Konzerne"

Rede von Sahra Wagenknecht in der Aktuellen Stunde des Deutschen Bundestages am 11.05.2016 zum geplanten Freihandelsabkommen TTIP zwischen der EU und den USA. [Quelle: sahra-wagenknecht.de]  JWD



Quelle: Fraktion DIE LINKE. im Bundestag | veröffentlicht 11.05.2016

Redetext (Transkription):

Dr. Sahra Wagenknecht (DIE LINKE):

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Sigmar Gabriel, das war jetzt ganz großes Kino mit beachtlichem schauspielerischen Einsatz. Es hat nur leider überhaupt nichts damit zu tun, wie die Bundesregierung die ganzen Jahre über in Bezug auf die Freihandelsabkommen TTIP und CETA real agiert und regiert hat. Es hat nichts damit zu tun!

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Sie täuschen die Öffentlichkeit und verkaufen sie für dumm.

Der Leak, für den ich wirklich dankbar bin, hat uns ganz klar gezeigt, dass alle Befürchtungen und Kritiken voll berechtigt sind. Wir haben es jetzt schwarz auf weiß: TTIP bringt - zumindest ist das die klare amerikanische Position, unterhalb derer es dieses Abkommen nicht geben wird; das geht daraus hervor - Genfood und Hormonfleisch. TTIP bringt Gifte in unsere Hautcremes und Chemikalien in unser Kinderspielzeug, die bisher aus gutem Grund in Europa verboten sind.

(Mark Hauptmann (CDU/CSU): Das stimmt doch nicht! Das ist eine Lüge!)

Das ist die Position, die in diesen Dokumenten deutlich wird.

(Beifall bei der LINKEN)

Es bringt außerdem eine Sonderjustiz und Klagerechte für große Konzerne, mittels derer sie in Zukunft jede Regierung, die sich nicht in vorauseilendem Gehorsam ihren Renditeinteressen unterwirft, vor den Kadi ziehen können.

(Max Straubinger (CDU/CSU): Sie sollten Ihre Rede umschreiben!)

Ich höre wirklich gerne, Herr Gabriel, dass die Bundesregierung das alles nicht will. Sie haben das jetzt gesagt. Aber ich frage mich schon: Weshalb gibt es dann nicht von der Bundeskanzlerin eine ähnlich klare öffentliche Verdeutlichung ihrer Position, wie sie beispielsweise der französische Präsident Hollande vorgenommen hat?

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Hollande hat ganz klar gesagt: Das, was jetzt vorliegt, ist nicht zustimmungsfähig. - Wo ist das öffentliche Nein von Frau Merkel? Es gibt dieses Nein nicht. Stattdessen gibt es öffentlich inszenierte Kuscheltage mit Obama, es gibt unterwürfige Komplimente, und es gibt eine Dauerwerbeschleife gemeinsam mit Obama für TTIP die ganze Zeit des Besuches über. Ich fand: Das war oberpeinlich.

(Beifall bei der LINKEN)

Eine Regierung, die so agiert, sollte sich auch nicht wundern, dass immer mehr Menschen ihr das Vertrauen entziehen. Einer Regierung, die seit Beginn der TTIP-Geheimkungelei wirklich alles versucht, um die Öffentlichkeit zu täuschen, kann doch wirklich kein Mensch mehr vertrauen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD, da diskutieren Sie, was Sie tun können, um aus Ihrem Jammertal bei Umfragen und Wahlergebnissen endlich herauszukommen.

(Widerspruch bei der SPD)

Das ist doch nun wirklich nicht so schwer: Hören Sie endlich auf, diese jämmerliche Politik mitzutragen, die dem Großteil der Bevölkerung ins Gesicht schlägt.

(Beifall bei der LINKEN)

Dann wird es Ihnen auch wahlpolitisch besser gehen.

Ich muss natürlich auch sagen: Ich kann alles unterschreiben, was Toni Hofreiter hier gesagt hat.

(Zurufe von der CDU/CSU: Oh!)

- Ja, klar. - Aber es ist leider nicht wirklich vertrauenerweckend, was man im neuen grün-schwarzen Koalitionsvertrag von Baden-Württemberg über die angeblichen „substanziellen Vorteile“ von TTIP lesen kann. Da sehe ich künftigen Abstimmungen im Bundesrat mit wenig Zuversicht entgegen -

(Beifall bei der LINKEN)

und das, obwohl inzwischen auch klar ist, dass nicht nur Arbeitnehmer und Verbraucher, sondern gerade auch mittelständische Unternehmen zu den großen Verlierern von TTIP und CETA gehören werden.

Herr Gabriel, Sie haben hier mehrfach von freiem Handel geredet. Ich finde, schon der Begriff „Freihandelsabkommen“ für diese Art von Abkommen ist doch ein einziges Lügenwort. Es geht doch überhaupt nicht um freien Handel. Es geht um Sonderrechte und Privilegien für große, transnationale Konzerne.

(Beifall bei der LINKEN - Widerspruch bei der SPD)

Es geht um ein Selbstermächtigungsgesetz für Kapitalinteressen, das Parlamente entmachten und letztlich die Demokratie endgültig begraben soll.

(Mark Hauptmann (CDU/CSU): Totaler Unfug!)

Das ist doch das, worum es geht. So ein Projekt hat wirklich keinerlei Unterstützung verdient.

(Beifall bei der LINKEN)

Alles, was ich bisher über TTIP gesagt habe, stimmt mit wenigen Abstrichen auch für CETA, Herr Gabriel. Deswegen muss ich fragen, wenn Sie jetzt so klar betonen, dass Sie TTIP so nicht wollen: Warum gibt es dann die Unterstützung der Bundesregierung für diesen ganz miesen Trick, nämlich jetzt CETA über die Hintertür der europäischen Lobbykratie an den nationalen Parlamenten vorbei in Kraft zu setzen?

(Beifall bei der LINKEN - Zurufe von der SPD: Oh!)

Warum betreibt die Bundesregierung das? Das ist doch unglaublich.

CETA bedeutet, dass auch US-Konzerne die Vorteile nutzen können. Auch CETA steht für Gift, Genfood und Paralleljustiz. Alles das ist auch in diesem Abkommen verankert. Jedes US-Unternehmen, das eine Filiale, eine Niederlassung in Kanada hat - das sind 80 Prozent dieser Unternehmen -, kann dann natürlich auch diese Rechte nutzen.

(Gustav Herzog (SPD): Quatsch!)

Deswegen sage ich: Ich finde es skandalös, dass die Bundesregierung das Verfahren, dass CETA über die europäische Ebene eingeführt werden soll, offensichtlich akzeptiert.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir akzeptieren das nicht. Die Linke hat dazu eine klare Position: Weg mit TTIP und weg mit CETA!

(Michael Grosse-Brömer (CDU/CSU): Nicht „weg mit CETA“, sondern: Weg für CETA!)

Niemand außer den Renditejägern in den oberen Konzernetagen braucht diese Abkommen.

Vizepräsidentin Ulla Schmidt:

Sie müssen zum Schluss kommen, Frau Kollegin.

Dr. Sahra Wagenknecht (DIE LINKE):

Ich bin gleich am Schluss. Einen Satz noch. - Wenn Sie schon nicht den Mut und das Rückgrat haben, das selbst zu entscheiden, dann lassen Sie die Bevölkerung abstimmen. In den Niederlanden wird ein Volksentscheid über CETA und TTIP vorbereitet. Ich frage mich: Wann ist es endlich so weit, dass diese Form direkter Demokratie auch in Deutschland möglich wird? Die Linke wird sich auf jeden Fall weiterhin dafür einsetzen.

(Beifall bei der LINKEN)

Link zum Originaltext bei ' sahra-Wagenknecht.de ' ..hier


Passend zum Thema:

« Die Kunst des Krieges »
TTIP, Die « NATO-Ökonomie »
von Manlio Dinucci

Der Geograf Manlio Dinucci schlägt eine kohärente Lesart für die Strategie Washingtons vor, welche, TTIP, den Regierungs-Sturz in der Ukraine, die Kriege in Libyen und Syrien, die Migrationswelle aus der Türkei sowie den Aufmarsch der NATO an den Grenzen Russlands, ebenso mit einschließt. Dieser Artikel ist auch deswegen von besonderer Bedeutung, weil, wenn auch viele einen Teil des Puzzle’s verstanden hatten, so doch bis heute niemand den Wieder-Aufmarsch der NATO in Europa erklären konnte.

Voltaire Netzwerk | Rom (Italien) | 5. Mai 2016


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Quelle: voltairenet.org (verlinkt)

Bürger, lokale Dienstellen, Gemeinden, Parlamente, Regierungen, ganze Staaten, werden ihrer wirtschaftlichen Entscheidungs-Souveränität beraubt und Organismen ausgeliefert, die von Multinationalen Konzernen oder Finanz-Gruppen kontrolliert werden und die Rechte der Arbeiter, die Anforderungen der Umwelt und die Sicherheit der Lebensmittel vergewaltigen, wobei sie öffentliche Dienstleistungen und kommunale Güter vernichten [1]: Aus diesem Grund MUSS die "Transatlantische Partnerschaft über Handel und Investition" (TTIP), im Geheimen zwischen den USA und der EU verhandelt, abgeschmettert werden!

Zu diesen Gründen sind weitere hinzuzufügen, von welchen man praktisch überhaupt nicht spricht: Diejenigen von geopolitischer und geostrategischer Besonderheit, die ein wesentlich umfassenderes und bedrohlicheres Projekt enthüllen. Der Botschafter der USA bei der EU, Anthony Gardner, verdeutlicht mit Nachdruck: "es gibt unerlässliche geostrategische Gründe um diese Vereinbarung abzuschließen".

Worin diese Gründe bestehen wird vom Rat des nationalen Geheimdienstes der USA [2] erläutert. Dieser prognostiziert, dass "infolge des Niedergangs des Abendlandes und des Aufstiegs von Asien, bis 2030 die Entwicklungsländer die aktuell entwickelten Länder überholt haben werden". Für dieses Szenario definiert Hillary Clinton die Partnerschaft USA/EU als "ein strategisches Hauptziel unserer transatlantischen Allianz", wofür sie eine "Ökonomische-NATO" vorsieht, welche die Politische und Militärische NATO integriert.

Washingtons Ziel ist klar: Die NATO auf ein höheres Niveau zu heben, durch Bildung eines politisch, ökonomisch, und militärischen US-EU-Blockes, wie immer unter der dem Befehl der USA, der - mit Israel, den Golf-Monarchien und anderen Ländern, sich dem aufstrebenden, asiatischen Raum, gegründet auf die Kooperation zwischen Russland, China, wie auch den BRICS, dem Iran und jedem anderen Land, welches sich der Westlichen Dominanz entziehen will, entgegenstellt.

Der erste Schritt um dieses Projekt zu verwirklichen, bestand darin, einen Bruch zwischen der EU und Russland herbeizuführen. Im Juli 2013 begannen in Washington die Verhandlungen für TTIP, welche aufgrund der gegensätzlichen Interessen zwischen den USA und den größten europäischen Mächten, denen Russland sehr vorteilhafte kommerzielle Konditionen bietet, nur unter Schwierigkeiten fortschreiten. Sechs Monate später im Januar-Februar 2014, löst der Putsch auf dem Maidan, der von den USA und der NATO organisiert war, die Kettenreaktion aus, (Angriffe auf Russen in der Ukraine, Ablösung der Krim und ihre Eingliederung nach Russland, Sanktionen und Gegen-Sanktionen) welche in Europa wieder das Klima eines Kalten Krieges erschafft.

Gleichzeitig finden sich die EU-Staaten unter dem starken Druck der Migrationswelle, ausgelöst von den Kriegen von USA und NATO (Libyen, Syrien), an welchen sie sich beteiligt hatten, wie auch von Terrorangriffen, unterschrieben vom Islamischen Staat (Kreatur ebendieser Kriege).

In diesem Europa, zersplittert von den "Mauern der Abkapselung" vor den Migrationsströmen, in welchem man die Psychose eines Belagerungszustandes verbreitet, starten die USA die größte Militär-Operation seit dem Ende des Kalten Krieges, indem sie an der russischen Grenze Kampf-Bomber, Jagdflugzeuge und Kriegsschiffe mit nuklearen Kapazitäten in Stellung bringen.

Die NATO unter US-Kommando, dem 22 der 28 EU-Länder angehören, massiert, vor allem an der Ost-Front, die Militärmanöver (mehr als 300 im Jahre 2015). Das alles begünstigt das Projekt Washingtons, einen politischen, ökonomischen und militärischen US-EU-Block zu schmieden. Projekt, welches die uneingeschränkte Zustimmung Italiens erntet, neben dem der Ost-Länder, die sich mehr mit der USA als mit der EU verbunden fühlen.

Die größten Mächte, namentlich Frankreich und Deutschland, sind noch dabei zu verhandeln. Aber während sie warten, integrieren sie sich mehr und mehr in die NATO. Das französische Parlament hat am 7.April ein Protokoll abgesegenet, welches die Einrichtung von NATO-Basen und Gefechtständen auf seinem Territorium erlaubt, Installationen, welche Frankreich 1966 noch zurückgewiesen hatte. Deutschland, - berichtet Der Spiegel - hält sich bereit Truppen nach Litauen zu entsenden, um die Stellungen der NATO zu in den baltischen Staaten - in der Nähe zu Russland -, zu verstärken.

Deutschland - noch immer nach Der Spiegel - bereitet sich darauf vor einen Fliegerhorst mit Gefechtsstand in der Türkei einzurichten, wo bereits die deutschen Tornados, offiziell im Einsatz gegen DAESH, operieren, wobei sie die Stellungen der NATO, in dieser Zone von erster, strategischer Bedeutung, verstärken.

Die wachsende Integration Frankreichs und Deutschlands in die NATO, unter den Befehl der USA, weist darauf hin, dass die geostrategischen Gründe von TTIP, dabei sind, über die Interessengegensätze (insbesondere die verlustreichen Wirtschaftssanktionen gegen Russland) die Oberhand zu gewinnen.


Manlio Dinucci: Ttip, la «Nato economica» | Quelle:Voltaire Network TV |  veröffentlicht 04.05.2016


Autor: Manlio Dinucci  |  Übersetzung: Ralf Hesse  |  Quelle: Il Manifesto (Italien)

[1] Anm.d.Übers.: Gemeint ist auch die Privatisierung und das Abschöpfen von Renten, die bisher unauffällig den Bürgern zu Gute kamen, wie z.B. die kostenlose, lediglich auf Gewohnheitsrechten und Kostenumlage beruhende Wasserversorgung einer Gemeinde. Diese Naturressourcen werden nunmehr durch TTIP unter dem Vorwand des Wettbewerbs usw. "frei"-ge"zwungen" für Anlage- und Finanzspekulationen aller Art, die über entsprechende Preiserhöhungen zu Lasten der Bürger und zu Gunsten von Investoren zu alimentieren sind. s.a.: www.rentgrabbing.com

[2] NIC National Intelligence Council wurde 1979 gegründet, dient zur Bündelung aller US-Geheimdienste und legt entsprechende generelle Strategien für alle Geheimdienste fest.
Manlio Dinucci

Manlio Dinucci: Geograph und Geopolitiker. Letztes veröffentliche Werk : Laboratorio di geografia, Zanichelli 2014 ; Geocommunity Ed. Zanichelli 2013 ; Escalation. Anatomia della guerra infinita, Ed. DeriveApprodi 2005.

Dieser Beitrag ist unter Lizenz der Creative Commons (Lizenz CC BY-NC-ND)

Link zum Originaltext bei ' voltairenet.org ' ..hier


02.05.2016 00:00
Europaweit auf Tour gegen TTIP und CETA: Ein Reisebericht
In sechs Tagen durch sechs europäische Städte – unsere Vortragstour zu regulatorischer Kooperation in CETA und TTIP war auf jeden Fall sehr intensiv. Gemeinsam mit der zivilgesellschaftlichen Handelsexpertin Sharon Treat aus den USA und der kanadischen Aktivistin und Vorsitzenden der größten kanadischen Bürgerrechtsbewegung Council of Canadians Maude Barlow habe ich spannende Veranstaltungen und kontroverse Diskussionen zu den umstrittenen Freihandelsabkommen erlebt. [Quelle: lobbycontrol.de]  JWD  ..weiterlesen


24.04.2016 14:05
Gegen das Freihandelsabkommen TTIP:
Bis zu 90.000 Teilnehmer demonstrieren vor Obama-Besuch

Im Vorfeld des Obama- Besuchs in Hannover, der sich anlässlich der Hannovermesse dort zum Showdown mit der Kanzlerin Merkel treffen will, gab es in Hannover gestern eine beeindruckende Demonstration gegen das geplante TTIP-Abkommen. Die Organisatoren schätzen, dass ca. 90.000 Menschen teilgenommen haben. Nicht wie die offizielle Meinungsmache verharmlosend propagiert, ist es die Sorge um Chorhühnchen..  JWD  ..weiterlesen

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