10.12.2018 11:00 Arroganz der Macht
Neue Weltordnung – „America First“
Im Schatten der Verkündung eines Ultimatums an Russland zum INF-Vertrag durch
den US-Außenminister ist fast untergegangen, dass Mike Pompeo am Dienstag [04.12.2018]
in Brüssel eine bemerkenswerte Grundsatzrede gehalten hat, in der er quasi eine
neue „amerikanische“ Weltordnung skizzierte. „America first“ soll nun für die
ganze Welt gelten. [Quelle: Sputniknews] JWD
Screenshot | RT Deutsch
US-Außenminister Mike Pompeo hat am Dienstag auf einer Veranstaltung der
amerikanischen Stiftung German Marshall Fund nicht weniger als eine „neue freie
Weltordnung“ unter Führung der USA verkündet.
“Die noblen Nationen”
„Wir bringen die noblen Nationen zusammen, um
eine neue, freie Ordnung zu bilden, die Krieg verhindert und mehr
Wohlstand für alle hervorbringt“, sagte Pompeo in Brüssel.
Russland, China, der Iran und Nordkorea gehören für den US-Außenminister nicht
zu diesen „noblen Nationen“.
Russland sei in die „souveränen Länder Georgien und Ukraine einmarschiert“,
sagte der Außenminister. Er warf Moskau auch den Einsatz eines
Nervenkampfstoffes auf europäischem Boden vor und die Verletzung des
INF-Vertrages über das Verbot von Mittelstreckenwaffen.
Der ehemalige Chef des amerikanischen Auslandsgeheimdiensts CIA kritisierte aber
auch die Aufmüpfigkeit der EU gegenüber dem großen transatlantischen Bruder.
„Sogar unsere europäischen Freunde sagen manchmal, wir würden nicht im Interesse
der freien Welt handeln. Das ist schlichtweg falsch“, sagte Pompeo.
Wahrscheinlich bezog sich der Außenminister in erster Linie auf den Widerstand
der EU gegen die von den USA verhängten Iran-Sanktionen.
Pompeo sprach sich dafür aus, Nationen, die Verträge brechen, zur Verantwortung
zu ziehen. Anscheinend gelte dies aber nicht für die USA, die unter Präsident
Trump aus dem Atom-Abkommen mit dem Iran und dem Pariser Klimaabkommen
ausgestiegen sind und den einseitigen Ausstieg auf dem INF-Vertrag mit Russland
angekündigt haben.
Reformieren oder Eliminieren
Auch an diversen internationalen Organisationen ließ der amerikanische
Außenminister kein gutes Haar. Den Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag
nannte Pompeo ein „Schurkengericht“. Die USA erkennen die Urteile des
Gerichtshofes nicht an. Aktuell strebt Den Haag eine Ermittlung gegen die USA im
Zusammenhang mit dem Krieg in Afghanistan an. Das werde man verhindern, so
Pompeo. Solche Gerichte dürften nicht „auf unserer Souveränität herumtrampeln“,
zürnte der Außenminister.
Die Welthandelsorganisation WTO biete China Schlupflöcher, kritisierte Pompeo.
Auch an die Uno, die Vereinten Nationen, glauben die USA nicht mehr.
UN-Friedensmissionen würden nichts bringen, und es gebe Gruppenbildungen bei
Abstimmungen in der Uno, die dann wiederum Schurkenstaaten wie Kuba oder
Venezuela in den Menschenrechtsrat bringen würden, so der Außenminister.
Internationale Institutionen müssten die „Sicherheit und Werte der freien Welt“
vertreten, so Pompeo. Sollte dies nicht der Fall sein, müssten diese
Einrichtungen „reformiert oder eliminiert werden“.
Spiegel Online kommentierte: „Institutionen wie die Vereinten Nationen, der
Internationale Strafgerichtshof oder die EU sollten nur überleben, wenn sie die
Interessen und Werte der ‚freien Welt‘ vertreten. Und das sind in erster Linie
die Interessen der USA, so Pompeos kaum verhüllte Botschaft.“
Klassiker oder für die Schublade?
Pompeos Rede erinnert an den Stil seines Präsidenten Donald Trump, der auch klar
die amerikanischen Interessen formuliert und an erste Stelle stellt. Damit
zerschlägt er zwar jede Menge Porzellan, bringt aber gleichzeitig Bewegung in
erstarrte internationale Strukturen und Allianzen.
Gleichzeitig stand Pompeos Rede auch in der Tradition des Klassikers
amerikanischer Außenpolitik „The Grand Chessboard – American Primary and Its
Geostrategic Imperative“ von Zbigniew Brzezinski, der dreißig Jahre lang
einflussreicher Berater amerikanischer Regierungen war und in seinem Buch die
Welt wie auf einem Schachbrett in amerikanische Einflusssphären aufteilt.
[...]
Gut möglich, dass Pompeos Rede eine ähnliche Relevanz entwickeln wird für die
außenpolitische Ausrichtung der USA in den nächsten Jahren wie seinerzeit die
Rede Wladimir Putins auf der Münchner Sicherheitskonferenz 2007, in der der
russische Präsident das Ende der unipolaren Welt verkündete. Vielleicht werden –
angesichts des sich immer schneller drehenden Personalkarussells in der
US-Administration – der Außenminister und seine Rede aber auch schneller
vergessen sein, als den USA lieb ist.
Autor: Armin Siebert | Quelle: Sputniknews |
05. Dezember 2018
Quelle: Sputniknews
Armin Siebert
Der ausgebildete Diplomdolmetscher und Journalist Armin Siebert hat sich
über viele Jahre einen Namen als Osteuropaexperte gemacht. Nach eigenen
Radiosendungen bei Radio Fritz in Berlin und YouFM in Frankfurt (Main)
wechselte er 2013 zu Radio Stimme Russlands, dem Vorgänger von Sputnik
Deutschland. Darüber hinaus leitet er die Musikfirma Eastblok Music, die
sich auf Musik aus Osteuropa spezialisiert hat. 2016 wurde im rbb der
Dokumentarfilm „Partitur des Krieges“ ausgestrahlt, dessen Autor Armin
Siebert ist. Bei sputniknews ist er Moderator und Redakteur und schreibt
Artikel und Kommentare für die Website. (Quelle)