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10.02.2019 00:00
Sanktionen als
Massenvernichtungswaffen
Weil sich Venezuela den Wirtschaftsinteressen der USA widersetzt, führen diese Krieg gegen das südamerikanische Land.
- Jüngst machte eine treffende Karikatur die Runde. Darauf zu sehen: ein
Sensemann, gewandet in Stars and Stripes, hinter sich eine Blutspur, die sich
einen Gang entlang von Tür zu Tür zog. Die Türen trugen Ländernamen - Irak,
Libyen, Syrien, Ukraine. Die USA als Schnitter Tod klopften gerade an eine Tür,
die mit „Venezuela“ überschrieben war. Auch wenn die Supermacht nicht immer zur
Sense respektive bestialischem Kriegsgerät greift — ihre subtilere Methode ist
eine nicht minder tödliche Massenvernichtungswaffe, analysiert der Historiker
Garikai Chengu: Wirtschaftssanktionen. [Quelle:
rubikon.news] JWD
Quelle: rubikon.news (verlinkt) | Foto:
andriano.cz/Shutterstock.com
Quelle: rubikon.news | von Rubikons Weltredakion |
09. Februar 2019
von Garikai Chengu
US-amerikanische Wirtschaftssanktionen stellen das schlimmste Verbrechen
gegen die Menschlichkeit seit dem Zweiten Weltkrieg dar. Die wirtschaftlichen
Sanktionen der USA haben mehr Unschuldige getötet als alle nuklearen,
biologischen und chemischen Waffen, die je in der Menschheitsgeschichte zur
Anwendung kamen, zusammen.
Die Tatsache, dass es den USA um Öl geht und nicht um Demokratie, wird nur jene
überraschen, die lediglich die Nachrichten schauen und die Geschichte außen vor
lassen. Venezuela verfügt über die größten Ölvorkommen des Planeten.
Die USA streben die Kontrolle über Venezuela an, weil dieses am strategischen
Dreh- und Angelpunkt zwischen der Karibik und Süd- und Mittelamerika liegt. Die
Herrschaft über dieses Land erwies sich schon immer als auffallend wirkungsvolle
Methode, Macht über diese drei Regionen und darüber hinaus auszuüben.
Seit Hugo Chavez sein Amt antrat, haben die USA versucht, die sozialistische
Bewegung Venezuelas zu stürzen — sei es durch Sanktionen, Putschversuche oder
die finanzielle Unterstützung der Oppositionsparteien. Letzten Endes gibt es
nichts Undemokratischeres als einen Staatsstreich.
Verbrechen gegen die Menschheit
Alfred de Zayas, der UN-Sonderberichterstatter für Menschenrechte, plädierte
erst vor einigen Tagen dafür, dass der Internationale Gerichtshof die
Wirtschaftssanktionen gegen Venezuela von Seiten der USA als mögliches
Verbrechen gegen die Menschheit untersuchen solle.
In den vergangenen fünf Jahren haben die US-Sanktionen Venezuela von den meisten
Finanzmärkten abgeschnitten, wodurch die lokale Ölproduktion abstürzte. In der
Folge hat Venezuela den stärksten Rückgang des Lebensstandards erlitten, der je
in der lateinamerikanischen Geschichte erfasst wurde.
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Bevor die US-Sanktionen einsetzten, hatte der
Sozialismus in Venezuela Ungleichheit und Armut verringert und
zugleich die Renten erhöht. Im gleichen Zeitraum geschah in den USA
genau das Gegenteil. |
Präsident Chavez finanzierte mit dem Öl-Einkommen soziale Projekte wie eine
kostenlose Gesundheitsversorgung, Bildung, subventionierte
Nahrungsmittelnetzwerke und den Wohnungsbau.
Das Dollar-System
Um wirklich zu verstehen, warum die USA einen Wirtschaftskrieg gegen das
venezolanische Volk führen, muss man das historische Verhältnis zwischen dem
System des Petrodollars und den Massenvernichtungs-Sanktionen analysieren: Vor
dem 20. Jahrhundert war der Wert des Geldes an Gold gebunden. Die Möglichkeiten
der Banken zur Kreditvergabe waren durch die Endlichkeit ihrer Goldreserven
beschränkt. 1971 jedoch entband Präsident Nixon die USA vom Goldstandard. Nixon
und Saudi-Arabien trafen eine „Öl-gegen-Dollar“-Vereinbarung, die den Lauf der
Geschichte verändern und unzählige Kriege um Öl verursachen sollte. Gemäß dieser
Petrodollar-Vereinbarung konnte Saudi-Arabien sein Öl nur noch gegen US-Dollar
verkaufen. Im Gegenzug sagte Saudi-Arabien zu, dass seine Gewinne aus dem
Ölverkauf in die Staatskassen und Banken der USA zurückfließen würden.
Dafür verpflichteten sich die USA, dem Regime der saudischen Königsfamilie
militärische Protektion und Militärtechnik bereitzustellen.
Das war der Beginn einer wahrhaft großartigen Entwicklung für die USA. Der
Zugang zu Öl ermöglichte die Imperien des 20. Jahrhunderts, und die
Petrodollar-Vereinbarung war der Schlüssel zum Aufstieg der USA zur alleinigen
Weltmacht. Die US-amerikanische Kriegsmaschinerie wird durch das Öl ermöglicht
und finanziert, sie existiert ihrerseits aber auch zum Schutz des Öls.
Sollte sich ein Land erdreisten, das Petrodollar-System unterminieren zu wollen,
kommt das für Washington einer Kriegserklärung gegen die USA gleich.
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Während der letzten zwanzig Jahre drohten der
Irak, Libyen und Venezuela damit, ihr Öl in anderen Währungen zu
verkaufen. In der Folge wurden sie alle durch US-Sanktionen
lahmgelegt. |
Mit der Zeit beschränkte sich das Petrodollar-System nicht mehr nur auf Öl.
Langsam aber sicher wurde der US-Dollar die Reservewährung für den globalen
Handel der meisten Gebrauchs- und Handelsgüter. Dieses System ermöglicht es den
USA, ihre Herrschaftsposition als alleinige Supermacht zu erhalten — trotz
seiner schwindelerregenden Verschuldung in Höhe von 23 Billionen US-Dollar.
Perfide Masche
Aufgrund seiner Bodenmineralien im Wert von mehreren Milliarden US-Dollar und
dem weltweit größten Ölvorkommen sollte Venezuela nicht nur reich sein. Vielmehr
sollte sein Volk an der Spitze der Entwicklungsländer stehen. Aber das Land ist
im Grunde pleite, weil die US-Sanktionen es vom internationalen Finanzsystem
ausgeschlossen und seiner Wirtschaft über die letzten fünf Jahre einen Schaden
von 6 Milliarden US-Dollar zugefügt haben.
Ohne Sanktionen könnte sich Venezuela leicht wieder erholen. Es könnte einige
seiner reichhaltigen Rohstoffe oder seiner Goldreserven im Wert von 8 Milliarden
US-Dollar als Sicherheiten einsetzen, um Kredite zu erhalten, mit denen es
wiederum seine Wirtschaft ankurbeln könnte.
Um die perfide Machart der venezolanischen Krise zu verstehen, muss man die
Entstehungsgeschichte von Wirtschaftssanktionen kennen. Auf dem Höhepunkt des
Zweiten Weltkrieges befahl Präsident Truman seinen Bomberpiloten, die Atombomben
„Fat Man“ und „Little Boy“ auf die Städte Hiroshima und Nagasaki abzuwerfen. Auf
einen Schlag starben 140.000 Menschen. Die grauenvollen Bilder, die aus den
Trümmern über das Fernsehen in die ganze Welt gelangten, verursachten
beispiellose Empörung. Der politische Rückschlag zwang US-Politiker dazu, eine
subtilere Massenvernichtungswaffe zu ersinnen: Wirtschaftssanktionen.
Sanktionen — historisch betrachtet
Der Begriff „Massenvernichtungswaffen“ wurde 1948 erstmals von den Vereinten
Nationen als „atomare explosive Waffen, Waffen mit radioaktivem Material,
tödliche chemische und biologische Waffen und alle Waffen, die zukünftig
entwickelt werden und in ihrer Wirkung mit der Atombombe und anderen oben
erwähnten Waffen vergleichbar sind“ definiert.
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Sanktionen sind zweifellos die tödlichsten
Massenvernichtungswaffen des 21. Jahrhunderts. |
2001 erklärte uns die US-Administration, dass der Irak
Massenvernichtungswaffen besitze, dass der Irak ein Terrorstaat sei, dass der
Irak Verbindungen zu Al-Qaida habe. All dies erwies sich als falsch. Tatsächlich
wussten die USA bereits damals, dass die einzigen Massenvernichtungswaffen, über
die Saddam verfügte, keine nuklearen, sondern chemische und biologische Waffen
waren. Warum sie das wussten? Weil die USA sie 1991 zum Einsatz gegen den Iran
an Saddam Hussein verkauft hatten.
Die US-Administration verschwieg uns jedoch, dass Saddam einst ein starker
Verbündeter der USA gewesen war. Der wesentliche Grund für den Sturz Saddams und
die Sanktionen gegen das irakische Volk lag darin, dass der Irak sich aus dem
Dollar-gegen-Öl-Verkauf ausgeklinkt hatte.
Schätzungen der Vereinten Nationen zufolge starben 1,7 Millionen Iraker wegen
der Sanktionen von Bill Clinton — 500.000 von ihnen waren Kinder. 1996 befragte
ein Journalist die damalige Außenministerin Madeleine Albright zu diesen
UN-Berichten, vor allem bezüglich der Kinder. Albright, die
Spitzen-Außenpolitikerin der USA, erwiderte: „Ich denke, dies ist eine Wahl, die
nicht leicht zu treffen ist, aber wir denken, der Preis ist es wert.“ Zweifellos
sind die Sanktionsstrategien der USA nichts anderes als staatlich sanktionierter
Völkermord.
Verheerende Wirkung
Wegen der Sanktionen ist das Pro-Kopf-Einkommen in Venezuela in den letzten fünf
Jahren um 40 Prozent gesunken — ein Rückgang, der dem im kriegsverwüsteten Irak
und Syrien bis zum Höhepunkt der bewaffneten Konflikte dort vergleichbar ist.
Millionen von Venezolanern mussten aus ihrem Land flüchten. Wenn die USA wegen
der Flüchtlinge so besorgt sind, sollte Trump der verheerenden Außenpolitik, die
Menschen dort erst zu Flüchtlingen macht, ein Ende setzen. Unter Chavez
herrschte in Venezuela eine Willkommenspolitik für Flüchtlinge. Präsident Chavez
hatte Venezuela zur reichsten Gesellschaft in Lateinamerika mit der besten
Einkommensgleichheit gemacht.
Ein weiteres zutiefst geschmähtes Staatsoberhaupt, das das Öl zur Bereicherung
seines eigenen Volkes einsetzte, war Muammar Gaddafi. Auch er musste das mit
schweren Sanktionen büßen.
Oberst Gaddafi erbte 1967 eines der ärmsten Länder Afrikas. Bis zu dem
Zeitpunkt, als er ermordet wurde, hatte Gaddafi Libyen jedoch in eines der
reichsten Länder Afrikas verwandelt.
Vielleicht bestand in den Augen der NATO Gaddafis schwerstes Verbrechen in
seinem Bestreben, dem Verkauf libyschen Öls in US-Dollar ein Ende zu setzen und
den Handel von Rohstoffen in einer neuen, goldgestützten gemeinsamen
afrikanischen Währung abzuwickeln. Tatsächlich hat Präsident Obama im August
2011 dreißig Milliarden Dollar von der libyschen Zentralbank konfisziert, die
Gaddafi für die Einrichtung einer Afrikanischen Zentralbank und die afrikanische
goldgestützte Dinar-Währung vorgesehen hatte.
Afrika verfügt weltweit über die am schnellsten wachsende Ölindustrie, und der
Öl-Handel in einer gemeinsamen afrikanischen Währung hätte vor allem für den
US-Dollar, die US-Wirtschaft und hier besonders für die Elite, die das
Petrodollar-System beaufsichtigt, verheerende Folgen gehabt.
Aus diesem Grunde unterzeichnete Präsident Clinton das mittlerweile berüchtigte
Gesetz über Sanktionen gegen den Iran und Libyen, das laut Kinderhilfswerk der
Vereinten Nationen flächendeckend großes Leid bei Zivilisten verursacht hat —
durch „die starke Limitierung von Kraftstofflieferungen, verminderten Zugang zu
Bargeld und die Einschränkung der Möglichkeiten, Nahrungsmittel und
lebenswichtige Medikamente nachzuliefern.“ Zweifellos sind US-Sanktionen
Massenvernichtungswaffen.
Failed States
Es ist noch gar nicht so lange her, dass der Irak und Libyen die beiden
modernsten und säkularsten Staaten im Mittleren Osten und in Nordafrika waren
und den höchsten Lebensstandard der Region besaßen. Interventionen des
US-Militärs und Wirtschaftssanktionen haben dazu geführt, dass Libyen und der
Irak heute zu den größten „gescheiterten Staaten“ der Welt gehören.
„Sie wollen Libyens Öl und kümmern sich keinen Deut um das Leben der libyschen
Menschen“, sagte Chavez 2011 während der westlichen Intervention in Libyen.
Im September 2017 erfüllte Präsident Maduro das Versprechen Chavez‘, Ölverkäufe
in Yuan statt in US-Dollar zuzulassen. Nur Wochen später unterzeichnete Trump
eine Reihe lähmender Sanktionen gegen das venezolanische Volk.
Am Montag kündigte John Bolton, der Nationale Sicherheitsberater der USA, neue
Sanktionen an, die im Wesentlichen Venezuelas staatlichem Ölunternehmen sieben
Milliarden US-Dollar stehlen. In derselben Pressekonferenz zeigte er kurz einen
Notizblock, darauf die verhängnisvollen Worte „5.000 Soldaten nach Kolumbien“.
Von den Medien darauf angesprochen, erwiderte er nur: „Präsident Trump sagte,
alle Optionen seien denkbar.“
Mediale Schützenhilfe
Die US-Medien sind zweifelsohne die korrupteste Institution in Amerika. Sie
mögen sich ja kritisch über Trumps Innenpolitik auslassen, wenn es jedoch darum
geht, Kriege für auswärtiges Öl vom Zaun zu brechen, singen sie alle dasselbe
Lied. Fox News, CNN und die New York Times, sie alle haben die Nation für einen
Krieg im Irak aufgehetzt — wegen angeblicher Massenvernichtungsmittel, und das,
während die USA bereits Massenvernichtungs-Sanktionen gegen das irakische Volk
einsetzten. So haben sie auch in Libyen verfahren, und nun wiederholen sie es in
Venezuela.
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Demokratie und Freiheit waren schon immer der
Vorwand für den kapitalistischen Griff nach fremdem Öl, und die
westlichen Medien beten diesen Vorwand rauf und runter. |
Wirtschaftliche Kriegsführung gegen Venezuela wird schon lange betrieben —
die militärische Kriegsführung steht nun unmittelbar bevor.
Trump hat gerade Elliot Abrams, den eine lange und heftige Vergangenheit mit
Lateinamerika verbindet, als Sonderbeauftragten für Venezuela bestimmt. Abrams
bekannte sich schuldig, den Kongress über die Iran-Contra-Affäre angelogen zu
haben, in der die USA tödliche anti-kommunistische Rebellen finanziert hatten,
was sich zum größten Skandal in der Ära Reagan auswuchs. Abrams wurde später von
George Bush senior begnadigt. Der neue Kontaktmann der USA für Venezuela log
auch bezüglich des größten Massenmords in der neueren lateinamerikanischen
Geschichte, der von durch US-Soldaten trainierten Einheiten in El Salvador
verübt worden war.
Es gibt nichts Undemokratischeres als einen Staatsstreich. Alfred de Zayas,
UN-Sonderbeauftragter für Menschenrechte, wies darauf hin, das Ziel der USA in
Venezuela sei, „die Regierung zu stürzen und eine neoliberale Regierung
einzusetzen, die alles privatisieren oder verkaufen wird. Eine Reihe von
Übergangsunternehmen werden enorme Profite machen. Die USA werden hier von
transnationalen Unternehmen angeschoben.“
Seit 1980 haben sich die USA kontinuierlich vom Status des Top-Gläubigerlandes
weltweit zum weltgrößten Schuldner-Land gewandelt. Dank der durch das
Petrodollar-System hervorgerufenen künstlichen globalen, riesigen Nachfrage nach
US-Dollar können die USA jedoch mit ihrer exponentiellen militärischen
Expansion, ihren Rekord-Defiziten und ihren zügellosen Ausgaben weitermachen.
Früher waren Industrieerzeugnisse, mit Stolz in den USA hergestellt, das größte
Exportgut der USA. Heute ist das größte Exportgut der US-Dollar. Jede Nation,
die wie Venezuela diesen Export bedroht, wird mit dem zweitgrößten Exportgut der
USA konfrontiert: mit Waffen — allen voran mit Massenvernichtungs-Sanktionen.
Garikai Chengu ist Historiker für Alte Afrikanische Geschichte. Er forschte
an den Universitäten Harvard, Standford und Columbia. Zu erreichen ist er unter:
garikai.chengu@gmail.com
Redaktionelle Anmerkung (Rubkon):
Dieser Text erschien zuerst unter dem Titel „Sanctions
of Mass Destruction – America’s War on Venezuela". Er wurde vom
ehrenamtlichen
Rubikon-Übersetzungsteam übersetzt und vom ehrenamtlichen
Rubikon-Korrektoratsteam lektoriert.
Link zum Originaltext bei ' rubikon.news ' ..hier
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Tags: Demokratie und
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