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![]() 03.08.2019 00:00 Der Feind allen Lebens Militär und Kriege vernichten unsere Biosphäre, weshalb Friedens- und Umweltbewegung zusammengehören. — Ein über lange Zeit vernachlässigter Aspekt von Aufrüstung und militärischen Aktivitäten liegt in der massiven Umweltzerstörung, die das Militär insbesondere während und nach militärischen Konflikten weltweit verursacht. Die Vergiftung und Zerstörung der Umwelt mit schwerwiegenden Folgen für Menschen, Tiere und Pflanzen gelangen erst jetzt am Rande der gegenwärtigen Proteste der Umwelt- und der Friedensbewegung allmählich ans Licht der Öffentlichkeit. [Quelle: rubikon.news] JWD
Die militärbedingten Eingriffe in die Umwelt erfolgen jedoch bereits seit Hunderten von Jahren. Ökologische Zerstörungen durch das Militär wurden früher nur selten als Bedrohung angesehen; militärische, ökonomische und geostrategische Zielsetzungen hatten Priorität. Dementsprechend beschreibt bereits der römische Naturkundler Plinius der Ältere im 1. Jahrhundert n. Chr. die Abholzung der Wälder und die Verwüstung der Landschaften in Italien, Spanien und Nordafrika, um für den Handel und den Krieg unter anderem Holz, Kupfer und Eisenerz zu gewinnen:
Später war der Kolonialismus mit weiteren Umweltzerstörungen und Eingriffen in ökologisch angepasste und funktionierende Systeme der Subsistenzwirtschaft verbunden: Indigene Bauern wurden in den eroberten Gebieten von ihrem Land vertrieben. Eine intakte Umwelt wurde oftmals aufgrund des militärischen Eingreifens der Kolonialmächte zu einer monokulturellen und einseitig ausgerichteten Plantagenwüste. Die beiden Weltkriege verwandelten zahlreiche Regionen in eine zerstörte und mit Waffenresten verseuchte Landschaft. Nach Schätzungen des Fraunhofer Instituts liegen ungefähr 1,6 Millionen Tonnen konventionelle Kampfmittel und circa 200.000 Tonnen chemische Kampfmittel auf den Meeresböden der Ost- und Nordsee. Seeminen, Bomben, Giftgasgranaten rosten, werden porös und geben ihre giftige Ladung in die Umwelt frei, sodass über die Fische das Gift in die menschliche Nahrung gerät (2). Die Atombombenabwürfe auf die japanischen Städte Hiroshima und Nagasaki im August 1945 hatten allein 1945 nicht nur eine Viertelmillion Tote zur Folge, sondern verseuchen diese Regionen bis heute radioaktiv, sodass weiterhin zahlreiche Menschen an Krebs sterben und Kinder mit genetischen Defekten geboren werden. Auf Anordnung des US-amerikanischen Präsidenten John F. Kennedy setzten die Militärs in Vietnam bereits 1961 Pflanzenschutzmittel ein, um den Vietcong die Deckung im entlaubten Regenwald zu nehmen und deren Reisfelder zu zerstören. Ab Februar 1967 verwendeten sie das Pflanzengift ‚Agent Orange‘ zur Entlaubung des vietnamesischen Regenwalds und zur Zerstörung der Reisfelder des Vietcong im Rahmen des größten Chemie-Angriffs der Geschichte im Vietnam-Krieg. Das darin enthaltene Dioxin verseucht noch heute Vietnam und ist dort für massive Krebserkrankungen und Gendefekte verantwortlich. Insgesamt versprengte die US-Armee 70 Millionen Liter Herbizide aus der Luft über Vietnam mit verheerenden Folgen für die Natur und die Gesundheit der Menschen (3). Die ‚Internationale Kampagne zur Abschaffung von Atomwaffen‘ (ICAN), die 2017 den Friedens-Nobelpreis erhielt, geht von circa 2000 Atomwaffentests mit der Sprengkraft von 29.000 Hiroshima-Bomben aus, die unter der Erde, im Wasser und über dem Boden durchgeführt wurden. Diese Atombombentests sind verantwortlich für die umfangreiche radioaktive Verseuchung verschiedener Regionen sowie heute für etwa 2,4 Millionen Krebstote. So führten die USA von 1945 bis 1992 insgesamt 1032 Test durch, die Sowjetunion zwischen 1949 und 1991 allein in Semipalatinsk in der kasachischen Steppe 456 Nuklearwaffentests (4). Niemand weiß allerdings genau, wie viel Millionen Menschen aufgrund — insbesondere der überirdischen Tests — an Krebs erkrankten und starben. Die Organisation ‚Internationale Ärzte für die Verhütung eines Atomkriegs‘ (IPPNW) setzt die Opferzahlen im Rahmen ihrer Studie ‚Bedrohung des Lebens durch radioaktive Strahlung‘ noch höher als ICAN an. Die vom Münchner Biochemiker Prof. Roland Scholz geleitete Studie kommt bereits 1997 zum Ergebnis,
Zur aktuellen Situation: Das
So schreibt Markus Gelau 2018 am Beispiel des US-Militärs:
Zudem werden ausgemusterte Schiffe samt hochgiftiger Ladung zumeist nicht fachgerecht abgebaut und entsorgt, sondern auf hoher See einfach mit Torpedos und Raketen bombardiert und versenkt. Mindestens 109 Mal soll dies zwischen 1999 und 2012 so praktiziert worden sein. Nur 64 Schiffe wurden im selben Zeitraum verschrottet und recycelt“ (6). Die Vereinten Nationen schätzen, dass circa 220.000 Landminen in über 70 Ländern gelegt wurden. Derartige Gegenden, zum Beispiel im ehemaligen Jugoslawien, in der Demokratischen Republik Kongo, in Vietnam, Kambodscha oder Tschetschenien, sind somit Kampfmittel verseucht und langfristig weder für Wohnungsbau noch für Landwirtschaft nutzbar, da deren Beseitigung teuer und auch nur über einen längeren Zeitraum hinweg Schritt für Schritt erfolgen kann. Diese Bilanz könnte mit zahlreichen weiteren Beispielen wie dem Einsatz von Streumunition durch Saudi-Arabien im Jemen, Fassbomben des syrischen Militärs, gesunkene sowjetische Atom-U-Boote in der Ostsee, CO2-Emissionen durch Militärbewegungen zu Luft und am Boden fortgeführt werden und zeigt:
Diese Einschätzung wird dadurch unterstützt, dass das Militär nicht nur das Klima schädigt, sondern auch die eintretende und im Zusammenhang mit kapitalistischem und geostrategischen Interessen stehende (8) Klimakrise wiederum die weitere Ursache für militärische Konflikte und die Zerstörung politischer Systeme gerade in den ärmeren Regionen der Welt sein wird. So schreibt Michael T. Klare, Professor für Frieden und Weltsicherheit am Hampshire College in Massachusetts 2015:
Konsequenzen für die internationale Dies bedeutet demnach, dass die weltweiten Militäraktivitäten sowohl Ursache als
auch Folge von Umweltzerstörung sein können.
Geld muss in die 17 Nachhaltigkeitsziele der Agenda 2030 und das Pariser Klimaabkommen fließen, um die Erderwärmung möglichst bei 1,5 Grad Celsius zu begrenzen. Das sind Investitionen, die für den Frieden unverzichtbar sind“ (11). Vor allem die Ausklammerung des Militärs als Klimaschädiger aus dem Kyoto-Protokoll und aus den Pariser Verträgen — insbesondere auf Druck der USA (12) — verweist des Weiteren auf die internationale Dimension der Problematik. Hier sind die Vereinten Nationen gefragt, die Umweltproblematik im Zusammenhang mit dem Militär und den Kriegseinsätzen in die internationalen Klima-Verträge aufzunehmen. Dies dürfte ihnen leichter fallen, wenn zum Beispiel die ‚Fridays-for-Future-Bewegung‘ und die Ostermarsch-Bewegung beziehungsweise weitere Aktivitäten der Friedensbewegung entsprechenden zivilgesellschaftlichen Druck aufbauen. Insbesondere sollte hierbei auf das Missverhältnis von Militärausgaben und Investitionen in den Umweltschutz aufmerksam gemacht werden, welches Ausdruck eines problematischen Bewusstseinsstand der politisch Herrschenden ist und natürlich auch den Interessen der Rüstungsindustrie entgegenkommt. Der Friedensaktivist Bernhard Trautvetter hat dies für Deutschland eindrucksvoll in Zahlen dokumentiert:
Des Weiteren:
Wenn diese zusammen dann auch noch den Zusammenhang zwischen der vorwiegend
durch ein ungebremstes Profitstreben und von geostrategischen Interessen
ausgelösten Umweltzerstörung, gewalttätig ausgetragenen Verdrängungskonflikten
und der Migration von fliehenden Menschengruppen thematisieren, dann könnte
langfristig einer derartigen gesellschaftlichen Bewegung noch eine größere
systemische Bedeutung zukommen, als dies bei der 1968er-Bewegung der Fall war. Quellen und Anmerkungen:
https://www.db-thueringen.de/servlets/MCRFileNodeServlet/dbt_derivate_00024978/Sonnabend_MenschUmweltAntike.pdf, Vortrag an der Universität Erfurt vom 25. Mai 2010, (2) Vgl. Fraunhofer Institut (2018): Gefährliche Altlasten in Ost- und Nordsee. https://www.fraunhofer.de/de/presse/presseinformationen/2018/august/gefaehrliche-altlasten-in-nord-und-ostsee.html, vom 1.August 2018, (3) Vgl. Langels, Otto (2017): Der größte Chemieangriff der Geschichte. https://www.deutschlandfunkkultur.de/agent-orange-im-vietnamkrieg-der-groesste-chemie-angriff.932.de.html?dram:article_id=378270, vom 7. Februar 2017, (4) Vgl. ICAN (o.J.): Auswirkungen von Atomwaffentests. https://www.icanw.de/fakten/auswirkungen/auswirkungen-von-atomwaffentests/, (5) https://www.ippnw.de/atomwaffen/humanitaere-folgen/atomtests/artikel/de/millionen-krebstote-durch-atomtests.html, ohne Datum, (6) Markus Gelau (2018): US-Militär: Der größte Umweltverschmutzer der Welt. In: https://www.greenfinder.de/news/show/us-militaer-der-groesste-umweltverschmutzer-der-welt/, 14. Oktober 2018, (7) Vgl. Braun, Reiner (2019): Umweltterror durch Militär auch ohne Krieg. In: Friedensjournal, Juli-August 2019, Nr.4, S. 4 (8) Vgl. ausführlicher zum Zusammenhang von Kapitalismus und Klimazerstörung Naomi Klein (2012): Klima vs. Kapitalismus. Was die linke Umweltbewegung von den rechten Think Tanks lernen kann. In: Blätter für deutsche und internationale Politik. 1/ 2012, 75-88. https://www.blaetter.de/archiv/jahrgaenge/2012/januar/klima-vs.-kapitalismus, 1/2012, (9) Michael T. Klare (2015): Klima und Krieg. Der Pariser Gipfel als Friedenskonferenz. In: Blätter für deutsche und internationale Politik. 12/ 2015, S. 45-50. https://www.blaetter.de/archiv/jahrgaenge/2015/dezember/klima-und-krieg, von 12/ 2015, (10) Peil, Karl-Heinz (2019): Globale Märkte, Ressourcenverschwendung und Umweltbewegung. In: Friedensjournal, Juli-August 2019, Nr.4, 10-13. (11) Braun, Reiner/ Müller, Michael (2018): Keine Militarisierung der Außenpolitik. In: https://www.fr.de/meinung/keine-militarisierung-aussenpolitik-11089403.html, vom 17.1.2018, entnommen am 16.7.2019, vgl. hierzu auch den von Michael Müller (Vorsitzender der Naturfreunde Deutschlands - NFD) im Dezember 2018 gehaltenen Vortrag auf dem 25. Friedensratschlag in Kassel (wird publiziert in Henken, Luehr (Hrsg.) (2019)) (12) Vgl. Reiner Braun (2019): a.a.O., S. 3 und Markus Gelau (2018): a.a.O. (13) Bernhard Trautvetter (2019): Zum Schutz des Lebens. Die Friedens- und die Umweltbewegung stehen für das Gleiche ein. — sie sollten endlich Seite an Seite zusammenkämpfen. In: https://www.rubikon.news/artikel/zum-schutz-des-lebens, vom 25. Juli 2019 „Das empathische Selbst. Eine friedliche Welt setzt friedensfähige Menschen voraus“ und „Der schlafende Riese. Eine friedliche Weltordnung setzt die Stärkung und Demokratisierung der Vereinten Nationen voraus“
Link zum Originaltext bei ' rubikon.news ' ..hier
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31.05.2019 [Quelle RT-Deutsch]
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