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15.03.2019  00:00
Die Schatten-Macht
Die Eliten stürzen die Menschheit in immer neue Krisen und Kriege. Interview mit Ullrich Mies über sein neues Buch „Der Tiefe Staat schlägt zu“. — Wer in den 1980er Jahren für Abrüstung und Frieden auf die Straße ging, dürfte bei der Renaissance des Feindbildes Russland und der erneuten Aufrüstung ein Déjà-vu erleben. Geschichte wiederholt sich in diesem Kontext offensichtlich als Tragödie. Allen ab etwa 1980 Geborenen wird dieser Zusammenhang nicht bewusst sein. Ullrich Mies bespricht im Interview mit Nicolas Riedl von der Jugendredaktion einige Aspekte des soeben erschienenen Sammelwerks „Der Tiefe Staat schlägt zu — wie die westliche Welt Krisen erzeugt und Kriege vorbereitet“, an dem 16 Autoren mitgearbeitet haben. [Quelle: rubikon.news]  JWD
 

Die Schatten-Macht
Quelle: rubikon.news (verlinkt) | Foto: elwynn/Shutterstock.com


Quelle: rubikon.news  |  von Nicolas Riedl  |
14. März 2019

 

 


Nicolas Riedl: Was hat Sie nach „Fassadendemokratie und Tiefer Staat. Auf dem Weg in ein autoritäres Zeitalter“ veranlasst, das nun vorliegende Buch zu machen?


Ullrich Mies: Auf den Buchvorstellungen habe ich festgestellt, dass Jens Wernicke und ich mit dem Titel des 2017 erschienenen Buches einen neuralgischen Punkt getroffen hatten. Viele Menschen merken, dass sie mit den zum Teil grotesken oder sogar perfiden Wirklichkeitsinterpretationen von Regierungen und Bewusstseinsindustrie nach Strich und Faden verarscht werden. Insofern stimmten die Zuhörer bei den Buchvorstellungen der Aussage zu, dass wir in einer Fassadendemokratie leben. Mit dem Begriff Tiefer Staat konnten allerdings viele nichts anfangen. Also erklären wir im neuen Buch dessen Haupttriebkräfte. Dabei spielen die neokonservativen Ideologen eine entscheidende Rolle. Tiefer Staat und neokonservative Akteure sind nicht voneinander zu trennen. Manche Teile sind sichtbar, die wesentlichen Teile nicht. Ich selbst bezeichne den Tiefen Staat als den Dunkelraum der Herrschenden, in dem der Klassenkampf von oben organisiert wird.

Zudem konnten im alten Buch nicht alle Aspekte des Tiefen Staates behandelt werden. Insbesondere fehlte die internationale Perspektive. Im neuen Buch „Der Tiefe Staat schlägt zu. Wie die westliche Welt Krisen erzeugt und Kriege vorbereitet“ lege ich eine Sammlung von Beiträgen vor, deren 16 Autoren aufzeigen, wie die herrschenden westlichen Eliten in einem etwa 25-jährigen Prozess die internationale Ordnung erodierten. Zudem haben sie die sogenannte Friedensdividende nach 1990, das heißt nach dem Zusammenbruch der UdSSR, voll vor die Wand gefahren. Planvoll haben sie NATO und EU, aber vor allem die NATO, Richtung Osten erweitert. Eines war klar: Die NATO stand nie zur Disposition, und um das Militärbündnis zu retten, holten sie den alten und nunmehr neuen Feind Russland aus der Versenkung.

Welche Autoren haben Sie für das neue Buch gewinnen können?

Beigetragen zu dem Band haben in der Reihenfolge des Inhaltsverzeichnisses: Rainer Rupp, Eugen Drewermann, Jochen Scholz, Hannes Hofbauer, Tilo Gräser, Annette Groth, Kees van der Pijl, Chris Hedges, Nicolas J.S. Davies, John Pilger, Ullrich Mies, Vladimir Kozin, Wolfgang Jung, Aktham Suliman, Mohssen Massarrat und Ernst Wolff. Also, wie Sie zum Teil schon an den Namen erkennen, konnte ich eine ganze Reihe ausländischer Autoren gewinnen, insbesondere aus den USA. Aber mit Vladimir P. Kozin ist auch ein wichtiger russischer Experte dabei, der sich seit vielen Jahrzehnten mit Rüstungs- und Rüstungskontrollfragen beschäftigt.

Welche Zusammenhänge möchten Sie den Lesern des Buches vermitteln?

Das Buch soll zu einem besseren Verständnis der aktuellen Verwerfungen auf der internationalen Bühne beitragen. Die Leser können Analysen zum internationalen Politikgeschehen erwarten. Nach der Lektüre dieser Analysen können sie den aktuellen Zustand der Welt besser begreifen und die Entwicklung der heutigen Verwerfungen besser nachvollziehen. Das gilt insbesondere für die Beziehungen des Westens zu Russland. Auch stimmt die Behauptung nicht, die Krim-Krise sei ein Willkürakt Russlands gewesen, wie im Westen immer wieder propagandistisch behauptet. Diese war das Endergebnis eines etwa 25-jährigen Erweiterungsprozesses von NATO und EU Richtung Osten. Das sogenannte außenpolitische Establishment des Westens und seine Bewusstseinsindustrie unterschlagen immer wieder absichtsvoll die zeitgeschichtlichen Ereignisse, die zum Zerwürfnis mit Russland geführt haben.

Wer Zeitgeschichte jedoch nicht als Kette von Entscheidungen und Ereignissen begreift und stattdessen immer nur das Endglied einer langen Kette betrachtet — wie die Krim-Sezession — versteht überhaupt nichts.

Vielen ehrbaren Politikern, die nach dem Mauerfall an dem gemeinsamen Haus des friedlichen, geeinten Europas als Architekten maßgeblich beteiligt waren, stellen sich angesichts der heutigen Russland-Politik der Bundesregierung die Haare zu Berge.

Dass es auch ehrbare Politiker gab, bestreite ich gar nicht. Die gibt es sicher heute noch. In den Spitzengremien finden Sie diese Politiker allerdings in aller Regel nicht, sondern ausschließlich opportunistische, zynische, menschenverachtende, sogar korrupte Apparatschicks, die sich mit den Finanz- und Wirtschaftsmächtigen zusammengeschlossen haben. Diese Apparatschicks sind sich für keine politische Schweinerei gegen die breite Bevölkerung, gegen die Umwelt und gegen den Weltfrieden zu schade. Das alles rangiert unter dem Postulat der Realpolitik, des nationalen Interesses, des EU-Interesses, der angeblichen Bedrohung durch Russland und China. Das meiste ist interessengeleiteter, selbst initiierter bullshit der Herrschaftskaste. Als Bühne für westliche Konflikt- und Kriegstreiber sieht Autor Tilo Gräser die Münchner Sicherheitskonferenz, die er jedes Jahr besucht. In seinem Beitrag nimmt er die Konferenz des Jahres 2018 in den Fokus.

Kommen wir noch einmal zurück auf die historisch einmalige Chance nach 1989. Die Zerstörung der sogenannten Friedensdividende nach 1990/91 folgte einem Drehbuch, das neokonservative Kader des Tiefen Staates — von niemandem gewählt und legitimiert — in den USA schrieben.
 
   

Nach dem Wegfall der Systemkonkurrenz durch die UdSSR drehten diese neokonservativen Verbrecher in den USA komplett durch, bekamen mit der Präsidentschaft von Bush junior und seiner kriminellen Entourage vollends Oberwasser. Nach einer Orientierungsphase sahen sie ihre Chance gekommen, die totale Weltherrschaft der USA anzustreben.

Sie setzten also genau das fort, was die US-Führungs-Eliten seit gut 100 Jahren beabsichtigen. Daran können Sie sehen, wie Politik über die Jahrzehnte hinweg von Kräften gemacht wird, die mit den tatsächlichen Wahlentscheidungen des Bürgers überhaupt nichts zu tun haben. Das zeigt deutlich auf, dass die Kräfte des Tiefen Staates langfristig orientiert handeln.

Können Sie auf einer Chronik skizzieren, wie wir diese historisch einmalige Chance auf einen Weltfrieden versemmeln konnten? Wie konnte die westliche Welt nach den Erfahrungen des Kalten Krieges erneut in eine Spirale des Misstrauens, des Wettrüstens und der gegenseitigen Abschreckung zurückfallen? Wie wahrscheinlich ist eine Eskalation zwischen West und Ost?

Bitte lassen Sie mich kurz auf das Wort wir eingehen. Ich wehre mich gegen dieses Wir. Wir als Bevölkerung haben gar nichts versemmelt. Das ist einzig und allein das Werk der Herrschafts-Eliten. Das ist das verlogene Wir des Merkel-Regimes, das immer dann aus der Propaganda-Tonne gezogen wird, wenn neue Schein-Wahlen anstehen. Das Wir ist eine Fiktion, weil es in westlichen Klassengesellschaften ein oben und ein unten gibt, eine kleine Gruppe von Entscheidungsträgern — kein wir.

Nun zur Chronik. Ich kann das hier ja nur kurz ausführen. Die westlichen Herrschaftskasten haben die Friedensdividende planvoll Schritt für Schritt versemmelt. Im Zentrum dieses Zerstörungsprozesses der Friedensdividende steht die NATO-Ost-Expansion. Bei der NATO-Expansion bestimmten und bestimmen die USA die Gangart. Die Aufnahme immer neuer Länder in das Bündnis diente und dient der Ausweitung des eigenen Ideologie- und Machtbereichs bis in die Tiefe des eurasischen Raumes. Die USA definieren die ganze Welt, insbesondere den eurasischen Raum, zu ihrem Sicherheitsinteresse. Der Expansionsprozess ist noch nicht abgeschlossen und die transatlantischen Imperialisten sind grob gesprochen in mehreren Phasen vorgegangen.

Erstens gab es eine Orientierungsphase des Bündnisses und die Suche nach neuen Aufgaben von 1990 bis 1993. Zweitens die Revitalisierung des US-Weltführungsanspruchs, Erhaltung und Stärkung dieser Dominanz sowie Festigung der NATO-Expansionsplanungen von 1994 bis 1998. Darauf folgte von 1999 bis 2001 die Aggressionsphase I, konkret der Jugoslawienkrieg, 9/11 und der war on terror, der Krieg gegen Afghanistan, die erste NATO-Erweiterungsrunde mit Polen, Tschechien und Ungarn. Als zweite Aggressionsphase bezeichne ich die Zeit von 2002 bis 2010. In der Zeit erfolgte die Konsolidierung des US-Weltherrschaftsanspruchs, die Kündigung des ABM-Vertrages, die Kriege gegen Irak, Libyen, Georgien, die zwei NATO-Erweiterungsrunden um Estland, Lettland, Litauen, Rumänien, Bulgarien, Slowenien, Slowakei und dann um Albanien und Kroatien.

Als dritte Aggressionsphase bezeichne ich die Zeit von 2011 bis 2013 mit dem beginnenden Syrienkrieg, der antirussischen Hysterie sowie der offenen Feindschaft gegen Russland. In diese Jahre fällt auch die Phase vor dem Putsch in der Ukraine und der vorläufige Höhepunkt der Feindschaft, die Politik der Nadelstiche gegen Russland, die Militärmanöver und Dislozierung von schweren Waffen an die russischen Grenzen.

Die vierte Aggressionsphase beginnt aus meiner Sicht 2014 mit dem Putsch in der Ukraine, der Eskalation des Syrienkrieges, dem Propaganda-, Sanktions- und Wirtschaftskrieg, dem paranoiden russophoben Hass, den exzessiven Militärmanövern, der Aufrüstung, der Kündigung des Iran-Atomabkommens und des INF-Vertrages. Auch die vierte NATO-Erweiterungsrunde um Montenegro 2017 gehört dazu. Welche Blutspur die USA bei ihren Kriegen seit 9/11 hinterlassen haben, zeigt Nicolas S. Davies in seinem Beitrag auf. Er kommt zu dem Ergebnis, dass die von den USA geführten Kriege seit 2001 zwischen 5 bis 7 Millionen Menschen das Leben gekostet haben.

   

Aber die Täter geben keine Ruhe, sie wollen immer weiter expandieren. Und diese Expansion gibt es nur zum Preis eines massiven Konflikts mit Russland beziehungsweise mit China. Diese Konflikte nehmen die neokonservativen transatlantischen Abrissbirnen der internationalen Ordnung billigend in Kauf.

Aus meiner Sicht bilden diese neokonservativen außenpolitischen US-Eliten zusammen mit den transatlantisch orientierten Vasallen-Kadern Deutschlands und der wichtigen EU-Staaten ein elitenfaschistisches Komplott, das die Menschen in zahllosen Ländern und in Europa selbst in diese Tragödie geführt hat. Über diese Zusammenhänge hat Kees van der Pijl einen interessanten Beitrag unter dem Titel geliefert „Die Achse des Bösen – die US/Israel NeoCon-Connection“.

Daher ist es auch kein Zufall, dass unter anderem die Aufnahme der Ukraine und Georgiens auf der politischen Aggressions-Agenda dieser Transatlantiker steht. Die neokonservativen Transatlantiker sind die Akteure der Gegenaufklärung. Mit ihnen sind weitere Konflikte auf der Weltbühne vorprogrammiert. Sie sind das Krebsgeschwür der internationalen Politik, sie unterstützen politische Metastasen wie in der Ukraine oder jetzt in Venezuela. Daher auch der Untertitel des Buches – wie die westliche Welt Krisen erzeugt und Kriege vorbereitet.

Der böse Russe erscheint immer häufiger auf der Kinoleinwand. Beispielsweise im letzten Stirb langsam-Film, in Fast & Furious 8, ja sogar im letzten Jurassic Park — ein Film über Dinosaurier — hatten die Protagonisten mit einem bösen Ivan zu kämpfen. Schweden veröffentlichte gar eine Fernsehserie, die von einer Invasion Norwegens durch Russland handelt. Ist das alles Zufall oder versucht man hier Ihrer Meinung nach, die Masse kulturell auf ein russophobes Klima einzuschwören?

Bitte merken Sie sich — im Politischen gibt es keine Zufälle! Alles ist Absicht. Franklin D. Roosevelt, US-Präsident von 1933 bis 1945, hat schon gesagt: „In der Politik geschieht nichts zufällig. Wenn etwas geschieht, kann man sicher sein, dass es auch auf diese Weise geplant war.“ Norwegen, Schweden und Finnland sind für die NATO-Strategen und einen potentiellen Krieg gegen Russland von großer Bedeutung. Die Kräfte des Tiefen Staates und des NATO-Militärfaschismus arbeiten sehr langfristig und hartnäckig. Die Tatsache, dass zwei NATO-Generalsekretäre in Folge Skandinavier sind, Jens Stoltenberg und sein Vorgänger Fogh Rasmussen, ist auch kein Zufall. Das dient der Bindung dieser Länder an die NATO.

Das russophobe Klima wurde und wird immer mit allen verfügbaren Propaganda-Techniken erzeugt. Ganz wichtig sind dabei auch Techniken des Kulturimperialismus, der kulturellen und militaristischen Unterwanderung durch Filme, Fernsehserien, Werbung, großflächige Plakate und dergleichen. Das sind die subtilen Techniken, die dem Massenpublikum meist nicht auffallen, aber im Unterbewusstsein ihre Wirkung nicht verfehlen. So wird der böse Russe unterschwellig im Bewusstsein der Massen verankert. Im vorigen Jahr hat die schwedische Regierung eine Broschüre an alle Haushalte verteilt mit dem Titel „If Crises or War Comes“. Allein der Titel lässt einen erschaudern. Wie schwachsinnig, als wenn Krisen und Kriege einfach so kommen.

Das alles dient dazu, die breite Bevölkerung in Angst und Schrecken zu versetzen.

   

Die meisten Menschen durchschauen die perfiden Techniken der Macht nicht, weil sie gar nicht so verbrecherisch denken können, wie die Eliten handeln.

Dieser Kulturimperialismus ist Teil der Kriegsvorbereitung. Dahinter stehen Finanzindustrie, Pentagon, NATO und der Tiefe Staat. Das russophobe Klima ist Teil der Installation des Kalten Krieges 2.0. und damit auch Teil dieses Masterplans. Wem der Begriff Masterplan nicht gefällt, der kann das Ganze auch als langfristig orchestrierte Machteliten-Verschwörungspraxis oder aber als staatsterroristisches organisiertes politisches Verbrechen bezeichnen. Das trifft es noch besser.

Diejenigen, die diesen Plan in Think Tanks, Regierungen und Stäben aushecken, könnten ihre imperialistischen Ambitionen nicht ohne Feindbildproduktion gegen Russland und China realisieren. Zusätzlich fördern sie quasi subkutan die Aggression in den Völkern durch Gewalt-Filme und Totschieß-Software. Letztlich steht dahinter das Ziel verstärkter Aufrüstung, um alle Feinde besiegen zu können. Dazu müssen sie der Zivilgesellschaft immer mehr Geld abpressen. Die USA wollen sich die gesamten Truppenstationierungen in Europa von den Europäern bezahlen lassen. Im Ergebnis werden die EU-Regime einen weiteren schmutzigen Deal aushandeln, zu Lasten des Lebensstandards der Menschen.

Menschen in Nord- und Ostdeutschland erleben die Aufrüstung und die Verlagerung von schwerem Kriegsgerät nach Osten im Alltag, zum Beispiel Armee-Trucks auf den Straßen. Die mit Panzern beladenen Güterwagen haben bei der Deutschen Bahn mittlerweile Vorrang vor dem Personenverkehr. Die EU will 6,5 Milliarden Euro investieren, damit die Straßen und Schienen nach Osten panzertauglich werden. Können Sie verstehen, dass ehemalige Ostblockstaaten diese Entwicklungen begrüßen?

Sicher existiert im kollektiven Alltagsbewusstsein der Völker in den ehemaligen Ostblockstaaten noch die historische Aversion gegen alles Russische. Wesentlich entscheidender ist aus meiner Sicht jedoch, dass die gesamten politischen Führungs-Eliten in Osteuropa mental US-transatlantisch eingenordet wurden. Das ist das Ergebnis langfristiger Investitionen und unterschiedlichster Förder-Programme, Stipendien, Forschungsaufenthalte, Verbindungen und Netzwerke.

Deutschland ist Transitland für schwere Waffen, zudem Atomwaffen-Depot, Logistikdrehscheibe, Standort für circa 40.000 US-Militärs, Schaltzentrale für den weltweiten Drohnenmord, Standort von AFRICOM und EUCOM und vieles mehr. Sollten die politischen Hasardeure des Merkel-Regimes von der eigenen Bevölkerung nicht gestoppt werden, ist Deutschland vor allem Kriegsschauplatz. Über diese Zusammenhänge klärt Wolfgang Jung in dem neuen Buch auf. Ich mache mir keine Illusionen darüber, dass die Kräfte des Tiefen Staates der USA und ihres NATO-Gewaltarms auch nur mit der Wimper zucken, wenn sie es im National oder Security Interest für erforderlich halten, Deutschland zum Kriegsschauplatz zu machen.

Müsste es nicht jedem logisch denkenden Bürger in den ehemaligen Ostblockstaaten einleuchten, dass es aus Russlands Sicht total selbstmörderisch wäre, eines dieser Länder anzugreifen oder sich gar einzuverleiben?

Dass Russland beabsichtigt, irgendein Land anzugreifen, ist die schmutzige Propaganda des finanzkapitalistisch-staatsterroristisch-militärisch-industriellen Kommunikationskomplexes im Westen. Nicht Russland hat sich mit seiner Militärmacht an den US-amerikanischen Kontinent oder die EU herangerobbt, sondern die NATO schnürt Russland ein. Ein Blick auf die Landkarte genügt, um die verlogene Propaganda als Lüge zu entlarven.

Bis 1977 gab es Pläne, die UdSSR mit 10.000 Atomwaffen dem Erdboden gleich zu machen. Existiert dieser Geist des Wahnsinns noch heute?

Selbstverständlich besteht dieser Irrsinns-Geist fort und die Wahnsinnigen, um im Bilde zu bleiben, verfügen über die Macht, ihre Vorstellungen Realität werden zu lassen. Oder glauben Sie, die Völker wären so verrückt, sich gegenseitig oder den Planeten mit der atomaren Auslöschung zu bedrohen? Wenn ich einen dringenden Rat geben darf: Immer schön nach oben schauen! Denn dann würde jeder sehen: Da sitzen die Täter, von da kommt die Gefahr!

Würde dieser Ungeist nicht fort existieren, hätte die Obama-Administration nicht die Total-Modernisierung der strategischen Triade eingeleitet, die unter Trump bekräftigt wurde. Insgesamt sollen für den nuklearen Voll-Terror in den kommenden 30 Jahren über 1.200 Milliarden US-Dollar zur Verfügung gestellt werden, Teuerungen nicht eingerechnet. Es gibt genug Sozio- und Psychopathen, die sich in Vernichtungs-Strategiespielen verirren. Diese Leute sind eine große Gefahr für die Menschheit.

   

Die Bevölkerung sollte nie vergessen: Die politisch Verantwortlichen für den ganzen Irrsinn sitzen in den Regierungen. Diese pressen den Völkern über Angstmache und Feindproduktion die Ressourcen ab, die sie dann in die Vernichtungsapparate investieren.

Über alle diese Zusammenhänge informiert hervorragend Vladimir. P. Kozin in seinem Beitrag Der neue kalte Krieg und die geplante Eskalation des Konflikt USA/ Europa versus Russland. Ich selbst liefere dazu einige Aspekte zum Verständnis der ganzen Wahnsinns in meinem Beitrag Wie die westliche Wertegemeinschaft den Kalten Krieg 2.0. installierte.

Wenn dem US-Imperium, respektive den transatlantischen Eliten daran gelegen ist, Russland gewaltsam als neuen Markt zu erschließen, dann ist es doch vollkommen irrational, die gewünschte Landfläche für die nächsten Jahrhunderte durch atomares Bombardement unbewohnbar zu machen? Können Sie das erklären?

Ja, es gibt diese diabolischen potentiellen Genozidtreiber in den US-Militärapparaten und Denkfabriken. Die halten den begrenzten Atomkrieg für führbar, ja sogar unter bestimmten Bedingungen für wünschenswert, um ihre imperialistischen Ambitionen auszutoben beziehungsweise dem Feind, dem sie immer die übelsten Absichten unterstellen, mit einem Präventiv-Schlag zuvorzukommen. Und in deren hirnrissiger Logik halten sie durch die Präzisierung und Miniaturisierung von Atomwaffen den begrenzten Atomkrieg für führbar. Diese kriminellen Elemente spielen ernsthaft mit diesen Gedanken, das ist bittere Realität.

Der Maximalskandal ist ja, dass die herrschende Kaste auch Deutschlands in einem etwa Einhundert-Jahreszeitfenster nunmehr den dritten Anlauf gegen Russland vorbereitet beziehungsweise daran beteiligt ist. Das ist widerwärtig, Ekel erregend und an niederträchtiger geistiger Fäulnis gar nicht mehr zu toppen. Wenn die Berliner Herrschaftscliquen tatsächlich den Krieg gegen Russland führen würden, dann gäbe es auch viele Deutsche, die dem Angriffs-Regime gegen Russland die Gefolgschaft verweigern würden, da bin ich mir sicher.

Ein Krieg gegen Russland ist aus meiner Sicht nur um den Preis eines Bürgerkrieges zu haben. Das ahnen die Berliner Cliquen. Aber wer weiß schon, welche Entwicklungen in einem solchen Fall wirklich eintreten. Der Angriffskrieg gegen Russland ist nur um den Preis der völligen Erledigung der Bürgerrechte über die Inkraftsetzung des Notstandes zu haben und damit um den Preis eines Bürger- und/oder Partisanenkrieges im eigenen Land. Doch das sind alles Spekulationen. Alles keine lustigen Perspektiven.

Betrachten wir das heutige Russland. Es wirkt sehr besonnen, zurückhaltend, aber keinesfalls schwach. So lässt es sich politisch auf keine Twitter-Diplomatie à la Donald Trump ein und nennt seine westlichen Nachbarn — statt sie zu dämonisieren — immer noch seine Partner. Ist es naiv, darauf zu hoffen, dass Russland immer mehr Macht auf den Westen ausübt und uns vor den bösen transatlantischen Eliten schützt? Kann man in Bezug auf Russland — und vielleicht auch China — von einer etwas besseren Alternative für das Wohlergehen der Menschen sprechen?

Ich maße mir kein Urteil über Dinge oder Zustände an, von denen ich keine Ahnung habe. Ich kenne Russland selbst nicht von innen aus dem eigenen Erleben. Dazu müsste ich dort ein paar Jahre gelebt haben. Habe ich aber nicht. Was die Autoren der beiden Bücher — und damit auch ich — unternommen haben, ist ja mehr oder weniger nichts anderes, als die Herrschafts-Eliten des Westens an ihren verlogenen Sprüchen und ihrem unsäglichen Handeln zu messen.

Nach dem Raub- und Plünderungsfeldzug unter Jelzin wurden die russischen Oligarchen in Kooperation mit westlichen Konzernen erst einmal wieder eingehegt. Putin hat ihnen klar gemacht, dass er ihnen das Land nicht zur weiteren Plünderung und Verarmung der Menschen überlassen würde. Ginge es nach dem Westen hätte die russische Bevölkerung verrotten können, es hätte die westlichen Eliten nicht interessiert. Dass Putin den westlichen Plünderungsfeldzug stoppte, hat ihn zum Feind des transatlantischen Eliten-Komplotts gemacht. Das verzeihen sie ihm nicht. Das ist der eigentliche Grund der ganzen russophoben Hatz und der geifernden Hetze in den Systemmedien.

Eines wird aus meiner Sicht deutlich: Russland will keinen Krieg, es hat unter allen Kriegen am meisten gelitten.

Wie lange wird Russland noch so „cool“ bleiben? Und was kann der Einzelne tun, um sich diesem Wahnsinn effektiv entgegenzustellen?

Ich hoffe, die russische Führung und die russische Bevölkerung bleiben noch lange cool. Je länger sie das schaffen, desto eher besteht die Chance, dass der imperialistische Konzern-, Finanz- und Wettbewerbskapitalismus, der sich mit solchen wohlklingenden Worten wie humanitär-interventionistisch und völkerübergreifend-internationalistisch und fortschrittlich-global tarnt, kollabiert. Viele Finanzfachleute, darunter Ernst Wolff, der in beiden Büchern mitgeschrieben hat, sind davon überzeugt, dass die riesige Finanzblase in gar nicht so ferner Zukunft platzen wird.

Wer cool bleibt, beweist damit mehr Mut als die verbrecherische Droh- und Erpressungspolitik des vermeintlich so freien Westens unter US-Führung.

Vor allem müssen alle Kräfte mit Restverstand in der eigenen Bevölkerung und den Völkern Amerikas und Europas der russischen Führung und der russischen Bevölkerung durch alle möglichen Kooperationen vermitteln, dass nicht die Deutschen und auch nicht die Europäer bereit sind, den Kriegstreibern in den Abgrund eines neuen großen Krieges zu folgen. Insofern brauchen wir — und hier macht das wir wirklich Sinn — hunderte Initiativen, um diesen westlichen Kriegstreibern Projekte des Friedens, der Völkerverständigung und der Solidarität entgegenzusetzen.


 

Bild
Quelle: rubikon.news (verlinkt)
 

Nicolas  Riedl
Quelle: rubikon.news

Nicolas Riedl,

Jahrgang 1993, ist Student der Politik-, Theater- und Medienwissenschaften in Erlangen. Er lernte fast jede Schulform des deutschen Bildungssystems von innen kennen und während einer kaufmännischen Ausbildung ebenso die zwischenmenschliche Kälte der Arbeitswelt. Die Medien- und Ukrainekrise 2014 war eine Zäsur für seine Weltanschauung und -wahrnehmung. Seither beschäftigt er sich eingehend und selbstkritisch mit politischen, sozio-ökonomischen, ökologischen sowie psychologischen Themen und fand durch den Rubikon zu seiner Leidenschaft des Schreibens zurück. Soweit es seine technischen Fertigkeiten zulassen, produziert er Filme und Musikvideos. Er ist Mitglied der Rubikon-Jugendredaktion und schreibt für die Kolumne „Junge Federn“..
 

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