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24.05.2019 00:00
Das Elitenprojekt
Die Europäische Union ist ein bürokratisches Monster, das die
Klassengesellschaft absichern will.
— Der Neoliberalismus kam auf leisen Sohlen und im weißen Gewand. Dieses Gewand
besteht aus großen Worte — Freiheit, Demokratie und Menschenrechte. Der
Parlamentarismus in den Nationalstaaten hält für Bürger die Illusion eines
echten Mitbestimmungsrechts aufrecht. In Wahrheit funktioniert „Demokratie“ in
der Europäischen Union nicht als Volksherrschaft, sondern als Herrschaft über
das Volk. Der europäische Traum ist der eines konsequent von oben aufzubauenden
und zu verwaltenden Superstaates. [Quelle:
rubikon.news] JWD
Quelle: rubikon.news (verlinkt) | Foto: StockLite/Shutterstock.com
Quelle: rubikon.news | 23.
Mai 2019
Von Peter Frey
An den Beginn dieses Artikels sei ein Jahrzehnte altes Zitat
des französischen Politikers Robert Schuman gestellt:„Die Zusammenlegung der Kohle- und Stahlproduktion wird sofort die Schaffung
gemeinsamer Grundlagen für die wirtschaftliche Entwicklung sichern — die erste
Etappe der europäischen Föderation — und die Bestimmung jener Gebiete ändern,
die lange Zeit der Herstellung von Waffen gewidmet waren, deren sicherste Opfer
sie gewesen sind. Die Solidarität der Produktion, die so geschaffen wird, wird
bekunden, dass jeder Krieg zwischen Frankreich und Deutschland nicht nur
undenkbar, sondern materiell unmöglich ist“ (1). Inwieweit Schuman Ideologe oder Missbrauchter oder auch eine Mischung aus beidem
war, lassen wir an dieser Stelle außen vor. Fakt ist, dass er eine von Macht
getriebene Entscheidung in einen Mantel von Ethik und Moral hüllte, um der
Bevölkerung ein Projekt, das niemals das ihre war, als scheinbar eben das zu
verkaufen. Schuman setzte fort:„Die Schaffung dieser mächtigen Produktionsgemeinschaft, die allen Ländern offen
steht, die daran teilnehmen wollen, mit dem Zweck, allen Ländern, die sie
umfasst, die notwendigen Grundstoffe für ihre industrielle Produktion zu
gleichen Bedingungen zu liefern, wird die realen Fundamente zu ihrer
wirtschaftlichen Vereinigung legen. Diese Produktion wird der gesamten Welt ohne
Unterschied und Ausnahme zur Verfügung gestellt werden, um zur Hebung des
Lebensstandards und zur Förderung der Werke des Friedens beizutragen. Europa
wird dann mit vermehrten Mitteln die Verwirklichung einer seiner wesentlichsten
Aufgaben verfolgen können: die Entwicklung des afrikanischen Erdteils“ (2). Der Zitierte preist an dieser Stelle nichts anderes als das System, das Europa
zuvor in zwei fürchterliche Kriege gestürzt hatte. Das für mich Frappierendste
an dem Zitat ist jedoch, dass der koloniale Anspruch des europäischen
Imperialismus — mit Frankreich an der Spitze — auf Afrika schon damals klar und
deutlich postuliert, ja konsequent weitergeführt wurde. Und damals wie heute
wurde es in eine verzerrende, lügende Sprache gepackt, im Zitat: „die
Entwicklung des afrikanischen Erdteils“!
Das Zitat stammt aus einer Rede Robert Schumans vom 9. Mai 1950. Diese Rede wird
heute — symbolisch — als die Geburtsurkunde der Europäischen Union bezeichnet.
Schuman überlebte faszinierenderweise seit dem Kriegsende ein Dutzend
Regierungen als Ministerpräsident, Finanz- und Außenminister Frankreichs. 1958
wurde er schließlich zum ersten Präsidenten der Europäischen Union gewählt (3).
In seiner denkwürdigen Rede vernahm man des Weiteren:„Die Ein- und Ausfuhr von Kohle und Stahl zwischen den Teilnehmerländern wird
sofort von aller Zollpflicht befreit und darf nicht nach verschiedenen
Frachttarifen behandelt werden. Nach und nach werden sich so die Bedingungen
herausbilden, die dann von selbst die rationellste Verteilung der Produktion auf
dem höchsten Leistungsniveau gewährleisten. Im Gegensatz zu einem
internationalen Kartell, das nach einer Aufteilung und Ausbeutung der nationalen
Märkte durch einschränkende Praktiken die Aufrechterhaltung hoher Profite
anstrebt, wird die geplante Organisation die Verschmelzung der Märkte und die
Ausdehnung der Produktion gewährleisten“ (4).
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Das Konzept ist verblüffend simpel — bis heute
und es heißt: Kappung aller Hindernisse für einen grenzenlos freien
Verkehr von Waren und Dienstleistungen. |
Doch auf dieses Konzept — und das gilt heute in gleicher Weise — musste eine
Marke, die den Menschen das Gefühl (!) vermittelte, dass ein solches Konzept gut
für uns alle, gut für die Gesellschaft ist. Zur gleichen Zeit führte Frankreich
eine Reihe kolonialer Feldzüge in Indochina und Nordafrika. Das sei erwähnt, um
den Lesern das Groteske der wohlfeilen Worte bewusst zu machen. B-Geschichten
gibt es, seit es Macht gibt — also seit Menschengedenken.
Immer waren es Vertreter der Wirtschaft, die die Politik veranlassten, die
Strukturen der EU weiter zu formen. Die EU ist nie etwas anderes als ein Projekt
des Geldes gewesen und die heutige Praxis zeigt das fortwährend. Natürlich muss
man in der Lage sein, hinter die Fassade des Projekts zu schauen. Vor der
ernüchternden Wirklichkeit ist nämlich ein gewaltiger Popanz aufgebaut, der uns
Bürgern suggeriert, dass wir es gewesen wären, welche die europäische Einigung —
in Form eben dieser Institution EU — gefordert und bewusst mitgetrieben hätten.
Das ist einfach nicht wahr.
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Weil die EU ein Projekt von Wirtschafts- und
Finanzeliten ist, so wie das auch für die Politik der
Nationalstaaten, also der Mitglieder der EU — und natürlich auch
darüber hinaus — gilt, sitzen an den entscheidenden Schalthebeln
dieses supranationalen Gebildes Leute aus der Wirtschaft. |
Die EU wird organisiert und gesteuert von Konzernvertretern und von Bankern. Von
diesen im wahrsten Sinne des Wortes beauftragte Politiker sowie ins Leben
gerufene und finanzierte Organisationen wurden als neue Ebene eingezogen und
lassen die monopolartigen Strukturen dahinter verschwimmen.
Es gibt keine unabhängigen Entscheider in der EU. Wir finden keine Menschen, die
einer tatsächlichen Graswurzelbewegung entstammen und bodenständig geblieben
sind. Menschen, die damit ihrem Gewissen und dem Auftrag ihrer Wähler folgen
könnten. Auch kleine Unternehmer und tatsächlich von Wirtschaft und Politik
unabhängige Organisationen haben im Moloch EU nichts zu melden.
Dieses Gebilde ist genau dafür da, am großen Rad zu drehen. Kleinteiligkeit ist
da nicht gewünscht und aufgrund der Struktur auch gar nicht anwendbar. Denn
solche großen Strukturen ersticken auch in ihrem eigenen bürokratischen Sumpf,
wobei sie zehntausenden Menschen ein recht einträgliches Auskommen bescheren.
Die EU bedient also auch ohne Zweifel unseren Opportunismus.
Auf der ersten Seite und im ersten Abschnitt eines Grundsatzdokuments der
Europäischen Kommission ist Folgendes zu lesen: „Das Alleinstellungsmerkmal der EU ist, dass alle diese Staaten souverän und
unabhängig bleiben, aber einige ihrer hoheitlichen Befugnisse in Bereichen
bündeln, in denen eine Zusammenarbeit sinnvoll ist“ (5). Nur um anzudeuten, wie viel Schein in diesen wohlklingenden Sätzen steckt, die
sich durch das ganze Dokument ziehen: Griechenland kann ein Lied davon singen,
wie „souverän“ es noch als EU-Mitglied ist. Souverän ist der Beherrschende,
nicht der Beherrschte. Bei den Beherrschten finden sich dann immer noch genug
Opportunisten, die für den eigenen kleinen oder auch größeren Gewinn, das System
der Herrschenden stützen. Auch das zeigt Griechenland deutlich.
Das oben erwähnte Papier gibt sich die Überschrift: „Die Europäische Union — Was
sie ist und was sie tut“. Der ganz oben stehende Punkt ihres Tuns im Bereich
Wirtschaft und Finanzen lautet:„Förderung von Wachstum und Beschäftigung“ (6). Wenn Sie diese Pille — selbstredend unterbewusst — akzeptiert und geschluckt
haben, werden Sie alles Weitere aus der damit gebildeten Matrix begreifen und
hinnehmen.
Dabei ist das Mantra vom (ewigen) Wachstum genauso irrsinnig, wie das von
Beschäftigung. Doch alles andere ordnet sich diesem Irrsinn — das ist gelebte
Praxis der EU-Politik — konsequent unter.
Mit solch einem Grundsatz ist für mich ein auf die Natur und die Menschen hier
und anderswo ausgerichtetes Denken und Handeln schlicht unvereinbar. Das, was
die menschliche Zivilisation mit Sicherheit an ihr selbstgemachtes Ende führen
wird, ist auch noch als eherner Grundsatz festgeschrieben.
Ähnliches las ich in Grundsatzdokumenten der Vereinten Nationen, zum Beispiel in
der Agenda 2030:„Wir sind außerdem entschlossen, die Bedingungen für ein nachhaltiges,
inklusives und dauerhaftes Wirtschaftswachstum, geteilten Wohlstand und
menschenwürdige Arbeit für alle zu schaffen, unter Berücksichtigung der
unterschiedlichen Entwicklungsstufen und Kapazitäten der einzelnen Länder“ (7). Den Vereinten Nationen — ebenso wie die EU ein Elitenprojekt und eine
supranationale Organisation — ist es ernst. Sie wiederholt ihre Agenda:„Wir sehen eine Welt vor uns, in der jedes Land ein dauerhaftes, inklusives und
nachhaltiges Wirtschaftswachstum genießt und es menschenwürdige Arbeit für alle
gibt“ (8). 17-mal taucht „nachhaltiges Wirtschaftswachstum“ im Dokument auf, bis hin zu
konkreten Vorgaben wie das in allen (!) Staaten der Weltgemeinschaft umzusetzen
ist (9). Denken wir immer wieder daran: So wie die Europäische Union sind auch
die Vereinten Nationen ein Elitenprojekt. Volkes Wille hat bei der Gründung
beider Organisationen keine Rolle gespielt. Beide haben sich den Kapitalismus
als alternativlos zu eigen gemacht, weil das schließlich auch der konkrete
Auftrag für sie war.
Wenn sich Politik an diese ehernen Grundsätze erzkapitalistischen Wirtschaftens
hält, dann müssen solche Dinge zwangsläufig kommen:Was denken Sie, liebe Leser, wie groß Ihr Einfluss auf Prozesse ist, die vom
Räderwerk der EU angestoßen werden?
Wurden wir jemals wirklich gefragt? Oder wurden wir einfach nur informiert?
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Die Rolle des Parlamentarismus in
Nationalstaaten ist die einer Fassade, die uns die Illusion von
Mitbestimmung verschafft. |
Je weiter wir in der Machtvertikale nach oben gehen, desto größer die Fassade,
desto geringer unser politischer Einfluss. Was auf lokaler, kommunaler Ebene
noch hinreichend funktionieren kann, wird spätestens im Bundestag zur Farce. Im
supranationalen Gebilde der Europäischen Union wird es schlicht zum Witz.
Die Kampagne — so wie sie durch die EU vor deren Parlamentswahlen im Mai 2019
geführt wurde — ist daher auch in keiner Weise konkret. Sie spielt(e) nur noch
mit emotional gefärbten Parolen, die man früher der Sparte „Es droht der
Untergang des Abendlandes“ zuordnete. Heute muss das Gespenst des Populismus und
„russischer Beeinflussung“ herhalten, um die Menschen vor den Karren des
neoliberalen, kriegsstiftenden Projekts EU zu spannen. Dafür — nicht aber für
eine wirkliche sachbezogene Diskussion zum Auftrag und praktischen Tun der EU —
geben sich die tonangebenden Medien gern her (10).
Was bleibt?
Nicht dass ich nun dazu auffordere, die Europäische Union zu bekämpfen. Doch
lehne ich sie für mich — als Instrument politischer Teilhabe — schlicht ab. Die
EU spaltet und normiert, ihre Agenda ist aggressiv über den Kontinent hinaus,
sie trägt den Krieg in sich. Dabei hat sie den Namen Europa für sich gekapert.
Sie spielt im Wortgebrauch mit Werten, um die Bevölkerung vor ihren Karren zu
spannen und in der Praxis ist sie schlicht eine Wirtschaftsunion unter deutscher
Führung.
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Die EU ist eine notwendige Institution, um den
Irrsinn unserer Marktwirtschaft, der tatsächlich gelebten Ideologie,
noch ein paar Jahrzehnte weitertreiben zu können. |
Ein Projekt, dass dafür entwickelt und geformt wurde, wirtschaftliche Macht zu
zementieren, auszubauen und das dafür ausgerüstet ist, diese Ziele mit den
umfassenden Mitteln des Krieges zu erreichen, kann kein Projekt sein, mit dem
ich mich in irgendeiner Art und Weise identifizieren will. Einem solchen Projekt
werde ich auch nicht mit meiner Stimme seine weitere Existenz legitimieren.
Europa aber ist viel, viel mehr, als das beschränkte und moralisch aufgepeppte
Kapitalismus-Projekt, das sich mit dem Namen Europäische Union schmückt.
Bitte bleiben Sie schön aufmerksam.
Quellen und Anmerkungen: (Allgemein) Dieser Artikel von Peds Ansichten ist unter einer Creative
Commons-Lizenz (Namensnennung — Nicht kommerziell — Keine Bearbeitungen 4.0
International) lizenziert. Unter Einhaltung der Lizenzbedingungen kann er gern
weiterverbreitet und vervielfältigt werden.
(1, 2, 4)
robert-schuman.eu; abgerufen: 18.5.2019
(3)
de.wikipedia.org; abgerufen:
18.5.2019, 11:35 Uhr
(5-7)
hla21.de;
S. 3, S. 4, S. 21; abgerufen: 18.5.2019
(8) Grundsatzpapier der Europäischen Kommission;
publications.europa.eu;
2018; ISBN 978-92-79-63384-3; im Weiteren GPEUK; S. 7
(9) GPEUK; S. 14
(10) 8.3.2019, 16:59 Uhr;
mdr.de
Quelle: rubikon.news |
Peter Frey,
Jahrgang 1960, ist seit 1965 Dresdner, gelernter Autoschlosser, war
LKW-Fahrer, Taxifahrer, selbständig in der IT-Beratung. Nach der
Insolvenz war er Sozialhilfeempfänger, Hartz-IV-Empfänger, und
studierte schließlich ab 2004 Informationstechnik und ist seit
Jahren in Dresden in der Friedensbewegung aktiv. Er will Menschen
aufwecken und so zu aktivem, selbst bestimmten, dem kleinen wie dem
großen Frieden gewidmeten Handeln bewegen. Seit einigen Jahren ist
er hauptberuflich als Administrator tätig und betreibt nebenher den
Blog Peds Ansichten. |
Link zum Originaltext bei ' rubikon.news ' ..hier
Passend zum Thema:
20.05.2019 00:00
EU - Die Anti-Demokratie
Die EU wird von Eliten gesteuert, die das Volk systematisch von Mitbestimmung
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spielt keine Rolle. Die bevorstehenden Wahlen zum europäischen Parlament
suggerieren den Wählern die Möglichkeit der Einflussnahme auf die politischen
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die Herrschaftskasten des EU-Projekts rücksichtslos die Entdemokratisierung der
Nationalstaaten... [Quelle:
rubikon.news] JWD
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15.03.2019 00:00
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Der US-Friedensaktivist David Swanson geht hart mit der NATO und ihren
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müssen Sie das dann auch tun? [..hier]
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07.07.2016 14:00
Die
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Sahra Wagenknecht im Bundestag - Die NATO-Einkreisung Russlands sichert
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Tags:
Brüssel, Der Tiefe Staat schlägt zu, EU Kommission, EU-Gipfel,
EU-Osterweiterung, EU-Parlament, EU-Rat, Europäische Gemeinschaft,
europäische union, Europäischer Gerichtshof, Hannes Hofbauer,
Legislative, Maastricht-Vertrag, polen, Supranationalisierung, Italien |
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